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Archiv-Artikel

polen in der eu Zu Recht pathetisch

Tief bewegt dankte spät in der Nacht Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski seinen Polen für ihre Zustimmung zum EU-Beitritt: „Wir kehren zurück in die große europäische Familie.“ Das klang pathetisch und sollte es auch. Das Referendum war in Polen so heiß umkämpft wie kaum eine andere Frage. Es ging um nichts Geringeres als die eigene Identität: Kann ein Pole auch Europäer sein?

Kommentar von GABRIELE LESSER

Im Kulturkampf um die richtige Staatsform standen sich Befürworter eines chauvinistischen Nationalstaates und die eines modernen, liberalen Polens gegenüber. Die einen wollten einen „Polen den Polen“-Staat, die anderen ein Land, das sich dem Westen öffnet. Kwaśniewski hatte sich bemüht, zwischen den beiden Lagern zu vermitteln. Und er hatte Erfolg. Mit dem Gelingen des Referendums ist der Antagonismus zwischen den beiden Nationalstaatskonzepten aufgehoben. Nicht nur Kwaś- niewski freute sich, es freuten sich auch solch alte Widersacher wie General Jaruzelski, der einst das Kriegsrecht über Polen verhängt hatte, und Lech Wałesa, der der Freiheitsbewegung „Solidarität“ zum Sieg verhalf. Dies zeigt, dass der Weg Polens Richtung Westen richtig war. Das Land kann sich selbstbewusst dem EU-Verbund anschließen, ohne sich aufzugeben.

Die Entscheidung für die EU hat innenpolitische Konsequenzen. Denn Polen will künftig in der EU eine bedeutende Rolle spielen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn in Polen der Rechtsstaat funktioniert und die Menschen Vertrauen in Regierung und Parlament haben können. Das ist zurzeit nicht der Fall. Daher hat Kwaśniewski bereits angekündigt, sich nach dem Referendum mit der korruptionsgeschüttelten Regierung zu beschäftigen.

Polens amerikafreundliche Irakpolitik hat dem Land den Spitznamen „Trojanisches Pferd Amerikas in der EU“ eingebracht. Dennoch wird sich Polen künftig eng an seine europäischen Partner halten. Dies wollen nicht nur die Wähler, die in ihrer Mehrheit gegen den Irakkrieg waren; dies haben inzwischen auch jene Politiker eingesehen, die zunächst gegen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU votiert hatten. Das eindeutige Ja im Referendum wird zu einem Überdenken der bisherigen Außenpolitik Polens führen, die in den letzten Monaten oft nicht mit den EU-Partnern abgestimmt war. Polen steht ein schwieriges Jahr mit innen- und außenpolitischen Turbulenzen bevor. Doch die Richtung steht nun fest.