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point'n'click„Wird erledigt, Sir!“

■ Command & Conquer, ein strategisches Kriegsspiel, das in Sarajevo endet

Auf dem Computer präsentierte sich das Genre der Kriegsstrategiespiele bislang eher spartanisch, um nicht zu sagen knochentrocken. Nur für Taktikfreaks entfaltete es seine kryptischen Qualitäten: Durch Piktogramme symbolisierte Truppenverbände wurden auf einer in Hexeckwabenfelder aufgeteilten Karte hin- und hergeschoben; das Programm rechnete das Resultat jedes Spielzeugs hoch. Krieg lief hier völlig auf der Zeichenebene ab; über Erfolg oder Mißerfolg eines Feldzuges entschied allein der zugrundeliegende Apparat mathematischer, nur notdürftig von graphischer Oberfläche camouflierter Formeln.

„Command & Conquer“, der High-Tech-Schlachtfeldsimulator der amerikanischen Softwarefirma Westwood, schließt die interaktive Generalstabskarte mit multimedialem Overkill kurz: Es ergibt sich ein „real“ ablaufendes Echtzeit-Spektakel, in das man jederzeit per Mouseklick eingreifen kann. Possierlich animierte ameisenwinzige Soldaten werden nebst allerlei Kriegsgerät, vom Gefechtskrad bis zum Jagdpanzer, vom mobilen Artilleriegeschütz bis zum raketenbestückten Senkrechtstarter, über ein in alle Richtungen scrollendes, mehrere Bildschirme großes 3-D-Terrain dirigiert. Der Spieler besetzt gewissermaßen einen virtuellen Feldherrnhügel, genießt den Vogelschaurundblick über ein von emsiger militärischer Betriebsamkeit erfülltes Sandkastenszenario und erteilt seine, von zackiger Soundausgabe – „Jawohl, Sir!“; „Wird erledigt, Sir!“ – quittierten Befehle: losmarschieren, neue Stellungen aufsuchen, Gegner attackieren.

Es geht einmal mehr um die Weltherrschaft respektive neue Weltordnung. Die Rahmengeschichte bringt es an den Tag: In naher Zukunft, so der leicht ins sciencefictioneske lappende Tenor, prallen zwei hochgezüchtete Militärapparate aufeinander – hier die Globale Defensiv-Initiative (GDI), eine Art Schnelle Eingreiftruppe unter Oberaufsicht der Uno, dort die Bruderschaft von NOD, eine ebenso uralte wie obskure Geheimsekte, mit Kontakten zu weltweit operierenden Terrorgruppen.

Auch nach Ende des Kalten Krieges hat man ein klares Freund/Feind-Schema vor Augen, inklusive der Option, zur „Abwechslung“ mal in die Schurkenrolle zu schlüpfen. Je die Hälfte der dreißig Missionen, deren Schwierigkeitsgrad sukzessive anzieht, bewältigt man aus Sicht eines GDI- bzw. NOD-Strategen – „gutes“ wie „böses“ Ende bleibt also offen. Die durch UN- Mandat abgesicherten Kampagnen spielen in (und mit) Europa; das Finale, eine Entscheidungsschlacht von „epischen Dimensionen“ steigt „direkt vor den Toren Sarajevos“ (!), wo sich NOD- Obermotz Kane in seinem bizarren Datanet-Todestempel verbunkert hat. Das Videoclip-Einsatzbriefing aus dem UN–Hauptquartier läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Commander, es gibt diesmal kein Pardon. Keine Nachsicht mit Kane und seinen Fanatikern. Machen Sie seinen Tempel dem Erdboden gleich. Vernichten Sie den Bastard!“ Das ist allerdings Klartext: Die „Papiertiger“-Divisionen der UNO, so wird hier suggeriert, zeigen endlich ihre Krallen...

Selten ein so zwiespältiges Programm auf meinem Rechner gehabt; die technische Brillanz von „Command & Conquer“ steht außer Frage, das ganze Produkt ist konsequent von A bis Z durchgestylt. Das betrifft nicht nur die aufwendigen 3-D-Animationen und Videoclips der Zwischensequenzen, in denen sich gewissermaßen in bewegte Bilder übersetzte Schlachtengemälde mit Auszügen aus fiktiven TV-Reportagen abwechseln, sondern auch den eigentlichen Kern des Spiels, der sich weniger als tumbes Ballerspiel denn hochkomplexe, fast schachartige Taktik- Auseinandersetzung darstellt.

Alles in dieser niedlichen Miniwelt läuft auf Krieg und Zerstörung hinaus – die Programmierer bewiesen viel Sinn für effektvolle Inszenierung noch des kleinsten Details: Putzig anzusehen, wie unbeschäftigte Pixel-Rekruten sich mit Liegestützen fithalten. Genauso „niedlich“ präsentiert sich der „Heldentod“ der im Sperrfeuer liegenden Kameraden gleich nebenan: Minimenschen- Infanteristen winden sich im Kugelhagel der Maschinengewehre, werden „stilecht“ von Handgranaten zerfetzt oder von Flammenwerfern bei lebendigem Leibe geröstet.

Ein wenig zu stilecht für die deutsche Fassung des Spiels, weshalb die hiesige Vertriebsfirma, Virgin Interactive – nicht zuletzt mit Blick auf die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS) und Sorge vor Indizierung ihres Produkts wegen Gewalt- bzw. Kriegsverherrlichung – dem Spiel ein paar kosmetische Korrekturen verpaßte. Diese entpuppen sich als Etikettenschwindel pur: So wurden z. B. alle Soldaten zu Cyborgs, zu perfekt menschenähnlichen Maschinen erklärt; Bildschirm- und Handbuchtexte entsprechend überarbeitet, Grafiken und Soundeffekte teilweise entschärft. Was tut man nicht alles für den begehrten „Geeignet ab 16 Jahren“-Sticker der USK, der jüngst analog zur Film-FSK eingeführten „Unabhängigen Selbstkontrolle“ der Softwarebranche! Das Risiko der Indizierung und entsprechendem Negativ-Image ist, so Firmen-Pressesprecher Christian Weikert im Interview mit dem Fachmagazin PC Player (9/95) „bei einem so teuren Produkt einfach zu groß“. Groteske Auswüchse einer vorauseilenden Selbstzensur: Sogar gelegentlich in der Landschaft herumstehende Zivilisten werden durch ein „Farm-Bot“/„Farmer-Robot“-Schildchen ausgewiesen. Diese können nun nebst ganzen Dörfern, die das Pech haben, im Aufmarschgebiet präsent zu sein, ohne Gewissensqualen ausradiert werden. Ulrich Hölzer

Command & Conquer (Westwood/Virgin). 2 CD-ROMs für IBM-PC (DOS oder Windows). 2-Spieler-Modus über Modem/ Null-Modem; 4 Spieler-Netzwerkmodus, 120 DM.

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