philipp mausshardt über Klatsch : „Gitarren statt Knarren“
Konstantin Wecker tritt in Bagdad auf, und ich spiele mit. Hoffentlich erfährt der große Henryk M. nichts davon
Wer den Namen „Zaunpfahl“ für unsere Teenieband damals wirklich erfunden hat, lässt sich nicht mehr sagen. Minno sicherlich nicht. Der hatte nur sein Schlagzeug im Kopf. Till schon eher, auch wenn ich nach wie vor behaupte, dass ich den Einfall hatte. Egal. Es ist ja sowieso nichts draus geworden. Das schöne Geld aus der Konfirmation, alles fehlinvestiert in eine Framus-Elektrogitarre, Neupreis: 450 Mark. Zwei öffentliche Auftritte, einen davon im Gymnasium von Harald Schmidt (Nürtingen), dann lösten wir die Band wieder auf.
Vergangenen Sonntag auf dem Flughafen in Frankfurt kam mir der Leiter von Konstantin Weckers Friedensdelegation in den Irak entgegen. Er zog einen Gepäckwagen voller Gitarren und fragte mich: „Kannst du Gitarre?“ Seither nenne ich mich Mitglied der „Wecker-Combo“. Wenn diese Zeilen erscheinen sind wir – ich, Wecker, Entschuldigung, Wecker, ich und zehn weitere Delegationsmitglieder – schon in Bagdad eingetroffen.
Eigentlich kann Konstantin Wecker nur Klavier spielen. Aber weil solche Instrumente nicht so leicht im Handgepäck unterzubringen sind, wurden einige Gitarren eingepackt. In einem Nebenzimmer des Flughafenhotels von Amman (Jordanien), in dem wir zwei Tage auf unseren Weiterflug nach Bagdad warten mussten, haben wir schon einmal geübt. Ich, als Weckers dritter Mann: a-Moll, E-Dur, G, F, E. Das „Friedenslied“ mit Strophen in vielen Sprachen, eine davon Arabisch: „Alle gemeinsam gegen den Krieg.“
Hoffentlich erfährt das nie Henryk M. Broder vom Spiegel. Der würde sich vor Freude sein großes M zwischen den Händen zerreiben und schreiben: „Wecker singt für ein bisschen Frieden in Bagdad. Während die UNO-Waffeninspekteure noch an ihrem brisanten Schlussbericht feilen, mimt ‚Volksinspekteur Wecker‘ unter den Augen von Hussein den klampfenden Friedensbarden.“ Oder so ähnlich. Auch bei der taz müsste man befürchten, dass der Spott über diese Aktion („Gitarren statt Knarren“) sich zumindest in der Überschrift den Durchbruch verschaffte. Darum will ich hier lieber nicht noch weitere Details aus unserem jordanischen Übungszimmer verraten.
Vielleicht nur noch so viel: „Morgen werden’s den Achmed zerbomb’n“ steht nicht auf dem Liederprogramm.
Wo sind eigentlich unsere Prominenten, wenn es in der Welt um Krieg und Frieden geht? Ach so, in St. Moritz. Talabfahrten bis in tiefere Lagen möglich. Skifahren ist immer politisch korrekt.
Als Patty Smith vor einigen Wochen in New York während eines Konzertes ein Lied gegen den Krieg im Irak ankündigte, verließen rund ein Drittel aller Zuhörer den Saal. So ist die Stimmung. US-Amerikaner, die sich einer Friedensgruppe im Irak anschließen (ja, die gibt es tatsächlich), müssen mit hohen Geldstrafen rechnen, weil die Einreise in Feindesland verboten ist. Begegnung unerwünscht.
Wecker selbst ist ein wenig angespannt. Er kennt seine Pappenbroders, die sein Anliegen lächerlich machen könnten. Darum sind so gut wie keine Journalisten mit dabei, wenn er an der Universität von Bagdad oder beim Zusammentreffen mit irakischen Musikern seine Fragen stellen und seine Lieder singen wird. Womöglich steht in der Ecke eine Wasserpfeife. „Herr Wecker, halten Sie mal“, würde der Focus-Fotograf freundlich sagen, und dann stünde unter dem Bild: „Konstantin Wecker an der Wasserpfeife. Es war aber nur echter Tabak drin.“
Man könnte viel machen. Montagabend zum Beispiel, in einer irakischen Musikkneipe, die allerdings in Amman ist. Ein jordanischer Exjunkie, der in Stuttgart lebte, dort drogensüchtig und straffällig wurde und schließlich wieder nach Jordanien ausreiste, setzt sich zu Wecker an den Tisch. „Du bist doch der Typ mit dem Zentralfriedhof?“ Wecker: „Nein, das ist Ambros.“ Und dann unterhalten sich ein deutscher und ein jordanischer ehemaliger Drogenabhängiger miteinander, ein arabischer Sänger singt Liebeslieder im Hintergrund, zwei schöne Saudi-Araberinnen schicken ihre Glutaugenblicke vom Nebentisch herüber …
Alles so friedlich.
Gestern kam eine E-Mail von Henryk M. Broder ans Hotel: „Bitte teilen Sie mir mit, an welchem Ort Konstantin Wecker in Bagdad auftreten wird.“ Ich jedenfalls würde den Teufel tun, es ihm zu sagen. Broder wollte vor elf Jahren schon einmal den Papst persönlich und die ganze Friedensbewegung in den Irak schicken, dass sie dort die Bevölkerung vor dem Bombenhagel der Amerikaner schützen. Als menschliche Schutzschilde. Das war natürlich ein Witz. Ein ganz toller Witz. Doch in der Rolle des Witzzulieferanten fühlt man sich halt einfach nicht wohl. Darum sagen wir es ihm nicht. Oder so spät, dass er keinen Spion dort hinschicken kann. Also: Heute Abend, 19 Uhr, im Künstlercafé in Bagdad. Jetzt ist es heraus. Broder lass nach.
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