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Archiv-Artikel

philipp maußhardt über Klatsch Ciao, Italia, ich komme

Rumänien soll sehr schön sein, besonders der Nordosten. Da gibt es keine Touristen – und auch nichts zu essen

Vor kurzem wurde in der Toskana eine Deutsche in ihrem Ferienhaus erschossen. Schock. Geht es jetzt los? Wollen sie uns los werden? Hetzt der Tourismus-Staatssekretär Stefani von der Lega Nord nun die Touristen-Killer auf die Urlauber aus Deutschland? Es war aber dann doch nur ein rumänischer Landarbeiter. Noch einmal Aufatmen.

Ich freue mich auf dich. Ciao, Italia. Dieses Jahr werden wir ein wenig intimer sein als sonst, denn es schauen uns weniger zu bei der Liebe. Und meine Eifersucht ist wie weggeblasen; ich habe dich fast alleine. Es waren auch wirklich zu viele geworden in den vergangenen Jahren. Die Immobilienpreise in der Toskana sind heute unbezahlbar und der Stau auf der Autobahn „di Sole“ vor Florenz wird unerträglich, sobald in Deutschland die Schulferien beginnen. Das hat auch Otto den tapferen Schily zunehmend genervt, der zwischen Siena und Grosseto seine Häuschen besitzt, und er wird zu seinem Kanzler gesagt haben: „Gerhard, tu mal was.“ Schily empfiehlt den Deutschen in diesem Jahr Rumänien. Ja, Rumänien ist sehr, sehr schön. Besonders empfehlenswert ist die Ecke im Nordosten Rumäniens, rund um Suceava: kennt keiner, ist man ganz alleine, gibt auch nichts zu essen und trinken dort, dafür winken die Menschen noch an der Straße, wenn ein deutsches Auto vorbeikommt. Überhaupt, wenn ein Auto vorbei kommt.

Der Hintergrund ist nämlich der: Die Toskana-Fraktion ist in den vergangenen Jahren dermaßen angeschwollen, dass für eine ordentliche Mitgliederversammlung der Marktplatz von Siena zu klein geworden ist. Schon bildete sich die „Umbrien-Fraktion“ und die „Marken-Fraktion“ und drohte damit, den Schnöseln vom Chianti ihre Exklusivität zu stehlen. Es musste also gehandelt werden. Italien ist geografisch unter deutschen Politikern inzwischen in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt. Die CDU/CSU besitzt Südtirol. Dort fallen Parteimitglieder mit ihren Hirschhornknöpfen an den Trachtenjankerln nicht weiter auf, man spricht noch deutsch, und bis zur ethnischen Grenzstadt Trento braucht keiner Angst zu haben, dass man ihm seinen Mercedes stiehlt. Weiter hinunter nach Süden trauen sie sich selten. Grüne haben das ligurische Hinterland und die noch sehr billigen Regionen „Marken“ und „Umbrien“ okkupiert, aber nur, weil sie sich die Toskana nicht leisten können. Nur Joschka Fischer erlaubt sich den Snobismus, in den Hügeln der Toskana zu logieren. Während die PDS auf Sizilien ihr Exilquartier aufgeschlagen hat. Die Insel kurz vor Afrika erinnert sie in ihrem organisatorischen Chaos noch am ehesten an ihr untergegangenes Kleindeutschland.

Die FDP ist statistisch nicht zu erfassen.

Von den Sozialdemokraten kennt man die Präferenzen, wobei der politische Gegner immer wieder versucht, die Toskana-Fraktion zu spalten und irrigerweise Menschen wie Oskar Lafontaine, Björn Engholm oder Rudolph Scharping zu Mitgliedern zu machen. Die besitzen aber allenfalls Gaststatus, gehören jedoch nicht wirklich dazu. Um es zum letzten Mal zu sagen: Chef und Gründer der Toskana-Fraktion ist und war der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz. Er überredete auf seiner Terrasse nahe dem Trasimenischen See im Sommer 1989 den noch grünen Bundestagsabgeordneten Otto Schily zum Parteiübertritt. Dass dabei ordentlich, ja, vielleicht zu viel Rotwein floss, muss angenommen werden.

Und noch ein Vorurteil soll hier beseitigt werden: Nicht dolce vita bestimmt den Alltag der Sozialdemokraten im Land der Zypressen und Ginsterbüsche, sondern harte Arbeit: Die Trümmermänner und Trümmerfrauen der SPD haben die Toskana wieder aufgebaut. Aus den von ihren italienischen Vorbesitzern verlassenen und zerfallenen Höfen machten sie mit ihrer Hände Arbeit und im Schweiße ihres Angesichts wieder herrliche Villen und verwandelten die Macchia in blühende Landschaften. Wo bleibt dafür der Dank des italienischen Bauministers, des Umwelt-Staatssekretärs oder wenigstens des Abteilungsleiters für die Förderung des Rotweinabsatzes im Landwirtschaftsministerium?

Ach, vergessen wir diese Politiker. Fahren wir hin, als wäre nichts geschehen und reden mit unseren italienischen Freunden wie bisher: „Deinen Berlustronzo kannst du dir sonstwohin schmieren“, werde ich meinem Nachbarn Antonio in einigen Tagen sagen, und er wird erwidern: „Ich weiß, dass er ein Arschloch ist. Aber er ist ein besseres Arschloch als die kommunistischen Arschlöcher.“ Dann ist alles gesagt und wir wechseln das Thema: „Antonio, wie wird die Olivenernte in diesem Jahr?“

Fragen zur Olivenernte?kolumne@taz.de