petition der woche: Pädagogisches Relikt aus längst vergangenen (Rohrstock-)Zeiten
Anlass der Petition Der sächsische Lehrerverband will weiter Kopfnoten verteilen können
Das wollen die Initiatoren Eine Rechtsgrundlage für Kopfnoten im Schulgesetz schaffen
Das wollen sie nicht Dem linksgrünversifften Milieu die Erziehung ihrer Kinder überlassen
Zuallererst müssen wir hier eine Vokabel klären: Kopfnoten heißen Kopfnoten, weil sie früher mal ganz oben auf dem Zeugnisblatt, also im Kopf, standen. Die Tatsache, dass diese Erklärung nötig ist, und das Wörtchen „früher“ weisen bereits darauf hin: Es geht hier um ein, sagen wir, pädagogisches Relikt aus schon länger vergangenen (Rohrstock-)Zeiten, das in den meisten Bundesländern nicht ohne Grund abgeschafft wurde. Insbesondere in den neuen Bundesländern verabschiedete man sich nach der Wende hurtig von den Kopfnoten, weil die in der DDR gerne auch benutzt wurden um zu zeigen, was von dem Kind (bzw. von dessen Elternhaus) politisch zu halten war.
In Sachsen allerdings hat man diese Tradition der Schülersortierung in fleißig bis faul offenbar lieb gewonnen. Dort werden ab der zweiten bis zur zehnten Klasse noch immer Noten für Fleiß, Mitarbeit, Ordnung und tatsächlich auch „Betragen“ vergeben – und der sächsische Lehrerverband will, dass das auch so bleibt: Mittels einer Onlinepetition fordern die LehrerInnen den Erhalt der Kopfnoten auf den sächsischen Schulzeugnissen – und dass sie künftig im Schulgesetz festgeschrieben werden.
„Die ‚Kopfnoten‘ bieten den Schülern und Eltern erste Erkenntnisse über die jeweiligen sozialen Kompetenzen eines jungen Menschen“, heißt es im Petitionstext. Und weiter: „Auch für Arbeitgeber wird – in Zeiten des Fachkräftemangels – neben den fachlichen Kenntnissen vor allem die Persönlichkeit junger Bewerberinnen und Bewerber immer wichtiger.“ 1.319 SächsInnen hatten das nach dem Petitionsstart Mitte der Woche online signiert. Bei 12.000 Unterschriften muss sich der Petitionsausschuss des Landtags mit dem Kopfnoten-Wunsch beschäftigen.
Tatsächlich wäre das begrüßenswert, fehlt doch im sächsischen Schulgesetz die Rechtsgrundlage, um überhaupt Kopfnoten vergeben zu können. Im letzten Jahr hatte ein Schüler vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen ebendiese auf seinem Abschlusszeugnis geklagt. Die nächsthöhere Instanz hatte das Urteil dann allerdings kassiert.
Anfang Oktober hatte das Verwaltungsgericht dann erneut geurteilt, dieses Mal grundsätzlich über Kopfnoten auf allen Schulzeugnissen – in dem Sinne, dass sie abgeschafft gehörten: Sie stellten einen Eingriff in die Grundrechtefreiheit der SchülerInnen da, insbesondere in die Berufsfreiheit. Das Kultusministerium von Christian Piwarz (CDU) hat bereits angekündigt, dagegen in Berufung zu gehen. Der Lehrerverband will diesen juristischen Hickhack beenden – und hofft, mittels der Petition zu erreichen, dass künftig politisch eine Rechtsgrundlage pro Kopfnoten geschaffen wird.
Die Chancen dafür stehen schlecht: Derzeit verhandeln SPD, Grüne und Christdemokraten über einen Koalitionsvertrag im Freistaat. Grüne und SPD haben der CDU bereits auf den Kopf zugesagt, dass sie von dieser Art der Bewertung wenig halten. Allerdings könne man darüber reden, heißt es sowohl von grüner Seite als auch von den GenossInnen, ob nicht „verbale Umschreibungen“ besser geeignet seien, soziale Kompetenzen abzubilden.
Wenn das die Frage ist, die man sich in Sachsen im Jahr 2019 stellt, wurde es wirklich höchste Zeit für diese Petition. Anna Klöpper
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