pds-parteitag: Meinungsführer in der Opposition
Das System Landowsky hat abgewirtschaftet. Und mit ihm das System Westberlin. Das behaupten seit Wochen unisono die beiden Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und PDS. Doch punkten können mit solchen Feststellungen derzeit weniger die Bündnisgrünen, sondern vor allem die demokratischen Sozialisten.
Kommentar von UWE RADA
Zwölf Jahre nach dem Fall der Mauer ist die PDS in Berlin endgültig koalitionsfähig geworden. Die Grünen, noch vor geraumer Zeit jedem Bündnis mit den SED-Nachfolgern ganz und gar abgeneigt, wollen plötzlich vom Gerede von gestern nichts mehr wissen. Und die beiden potenziellen SPD-Regierenden, Klaus Wowereit und Peter Strieder, machen aus ihrer Vorliebe für Rot-Rot-Grün schon lange keinen Hehl mehr.
Mit der CDU-Spendenaffäre, diesem System Westberlin, kann sich die PDS nun sogar aus dem System Ostberlin befreien und als aufklärende Kraft präsentieren. Der Antikommunismus, mit dem Landowsky noch vor Wochen seine politische Lebensleistung begründete, frisst nun seine Kinder.
Schon redet die PDS von den „christdemokratischen Wärmestuben“ in Westberlin, die es auszufegen gelte. Und nun das: Die Genossen zieren sich! Nun, da die Regierungsbeteiligung näher denn je gerückt ist, bestehen Pau, Wolf & Co. plötzlich auf Reformprojekten und scheinen alle Zeit der Welt zu haben.
Doch hinter der Zögerlichkeit verbirgt sich nicht nur gebotene Zurückhaltung, die es der SPD ermöglicht, selbst auf Distanz zur CDU zu gehen. Es geht auch um die Meinungsführerschaft in der Opposition. Und hier haben sich die Grünen mit ihrem eilfertigen Gesprächsangebot keinen allzu großen Gefallen getan. Mit ihrer Warnung vor politischem „Abenteurertum“ hat die PDS die kleinere Oppositionspartei ins Leere laufen lassen. Und zugleich betont, dass ein Regierungswechsel noch lange keine andere Politik bedeutet.
Wenn die PDS, wie auf ihrem Landesparteitag am Wochenende geschehen, schon einmal davon träumt, bei den nächsten Abgeordnetenhauswahlen zweistärkste Partei zu werden, lacht darüber keiner mehr. Schon gar nicht die glücklosen Berliner Sozialdemokraten.
Doch damit ist auch schon das ganze Dilemma eines Regierungs- und Politikwechsels angesprochen. Als Juniorpartner wird die SPD mit Sicherheit in keine rot-rot-grüne Koalition gehen. Und die Meinungsführerschaft, die die PDS in der Opposition gewonnen hat, könnte in einer neuen Landesregierung schnell zur Unterwerfung unter finanzielle Sachzwänge in der Hauptstadt werden.
Kein Wunder, dass die PDS auf Zeit setzt. Noch kann sie nur gewinnen. Doch damit könnte bald Schluss sein.
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