pampuchs tagebuch: Jeder Kuhstall hat einen Anschluss ans Netz
Da dies die Zeit für eine klassische Ferienkolumne ist, will ich mir ein paar Gedanken zum Thema Urlaub und Internet – unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Landwirte in den Alpen – auf die Festplatte schreiben. Ich war in den letzten Wochen in dieser Angelegenheit vor Ort, um Erkundigungen einzuziehen und mich in teilnehmender Beobachtung zu üben. Am Bodensee habe ich mich beim Heuwenden samt „Hainzen“-bauen versucht (so heißt das auf Badisch, es meint jedenfalls luftdurchlässige Heumännchen), bei Garmisch im Schatten der Zugspitze bärtigen Bergbauern beim Mähen auf 45–70 Grad geneigten Almwiesen assistiert und in Tirol eine Reihe von Ferienhäusern mit angeschlossener Landwirtschaft inspiziert. Wir Münchner haben ja das Privileg, die Bergbauern praktisch kurz hinter dem Mittleren Ring antreffen zu können. „Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen“ ist ein gern zitierter Spruch an der Isar. Der stimmt natürlich so nicht ganz, man muss schon noch ein bisschen über die analoge Autobahn fahren. Wer mag, kann danach aber sein Feriendomizil aus dem Realkatalog auswählen.
Ganz anders der restdeutsche Flachländer, der bei der Suche nach Berg- und Landluft auf das Internet angewiesen ist. Es ist erstaunlich, in welchem Maße sich die Bauernhöfe mittlerweile in der virtuellen Welt etabliert haben. Dazu muss man wissen, dass heutzutage die meisten Bauern, die in schönen Gegenden siedeln – und damit fast alle Bergbauern –, ökonomisch gesehen Nebenerwerbsbauern sind. Das heißt, viele von ihnen könnten ohne Vermietung von Fremdenzimmern gar nicht über die Runden kommen. In den meisten Fällen übertreffen auf älpischen Höfen die Einkünfte aus dem Tourismus längst die aus der Landwirtschaft. Von 20 Kühen und ein paar Schweinen kann keine Familie leben. Da müssen schon ein paar Feriengäste her. Um die zu bekommen, hat sich im Internet in den letzten Jahren ein Universum von Bauernhofwebsites entwickelt, das manches städtische Gewerbe ziemlich alt aussehen lässt. Man bekommt den Eindruck, dass es kaum noch einen Hof in den Alpen gibt, der nicht mit Foto, Beschreibung und E-Mail-Adresse im Netz zu finden ist.
„Ferien auf dem Bauernhof“: das ist heute auch eine professionell gemanagte, beispielhafte Web-Industrie. Liebevoll gestaltet, global erreichbar, und damit voll auf der Höhe der Zeit. Für einen alpenländischen Vergleich empfehle ich als Kostprobe www.uadby.de (Urlaub auf dem Bauernhof in Bayern – mit über 2.000 Höfen), www.bauernhof-ferien.ch/ für die Schweiz; www.tiscover.com für Tirol.
Spricht man mit den Bauern und Bäuerinnen vor Ort, so wird man feststellen, dass sich das ihnen angeborene Misstrauen gegenüber allem Modernen in diesem Fall in Grenzen hält. Der Computer ist schon längst ein Landwirtschaftsgerät geworden. Bisher hat er die Futtermischung berechnet, ohne die das EU-konforme Mastgewicht nicht erreichbar ist. Nun versorgt er die Menschen mit überlebenswichtigen Informationen. Dass es zunächst als gewisser Widerspruch erscheint, dass jenes Ursprüngliche, das wir Städter in den Bergen suchen, nun auch im digitalen Medium angeboten und angesteuert wird, und dass heute fast jeder Kuhstall eine www-Adresse hat, was macht’s? Es ist es nicht die Schuld der Bauern, dass sie von ihren ursprünglichen Produkten allein nicht mehr leben können. (Wobei, genau besehen, die schöne Landschaft auch eines ihrer Produkte ist.) Im Bauernhoftourismus sind Laptop und Lederhose eine zukunftsweisende Verbindung eingegangen – zum Wohle auch und gerade jener vielen Nordlichter, die bei dem Begriff gern ein wenig lächeln. THOMAS PAMPUCH
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