pampuchs tagebuch: Weltweit abgesperrt
American online ist nun doch nicht die Achsenmacht des Bösen, auch wenn es manchmal so scheinen mag. Nachdem ich mein Pulver verschossen habe, höre ich gerne Schauergeschichten von anderen Providerfronten. Als reisender Vielmailer guckt man im Internetcafé schon mal dem Nachbarn über die Schulter, wenn der auch flucht. Und dann fragt man sich, wie denn die Free- und Hotmailer so klarkommen, die gmxler, die Compuserver, Yahooler und wie sie alle heißen.
Ganz glücklich sehen die ja nun auch nicht immer aus. Ist vielleicht T-Online am Ende so ekelerregend wie dieser hektische, synthetische, geklonte, blondierte DSL-Heini, der einen nicht einmal im Fernsehen in Ruhe lässt? Na dann gute Nacht, Marie! So schlimm sind ja nicht einmal die Telefonrufsäulen der Telekom, die jetzt – juchhu! – obenrum mit Plexiglasscheiben umkleidet werden. Ein Sieg übrigens dieser Kolumne, die schon vor einer Weile Dach und Wand angemahnt hat.
Was aber macht Telekoms Schwester T-Online? Eine unrepäsentative Umfrage bei meinen T-Online-FreundIinnen ergab, dass auch bei denen nicht alles magentarosig ist. Meine jugendliche Freundin A. wollte, obzwar ich sie herzlich ermutigte, nicht direkt vom Leder ziehen, aber dass T-Online teuer sei, notierte sie mir gern in den Notizblock. Meine etwas ältere Freundin C. tobte hingegen, ohne dass ich sie animieren musste. Sie reist gern und viel und hat mit dem deutschen Herzeigeprovider schon weltweit schlimmste Erfahrungen gemacht. C. beneidet mich um AOL, das muss man sich mal vorstellen! Weder in Spanien noch in Südtirol, geschweige denn in Bolivien oder Peru habe sie ihre bei T-Online eingegangenen Mails abrufen können. Meine mitteljunge Kusine R. lobte T-Online, was den Gebrauch am heimischen Herd angeht: „Gut für uns ältere Menschen“, meinte sie kokett. Unterwegs aber, ja doch, da sei T-Online ein nicht druckfähiges Wort.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, rief C. in meinem Beisein die T-Online-Hotline an, und siehe da, der zuständige Herr gab ohne Umschweife zu, dass es keineswegs so sei, dass man bei „einem der größten Internet-Access-Betreiber weltweit“ (Eigenwerbung) weltweit erwarten könne, seine Mail zu bekommen. Es sei nämlich so, dass der jeweilige Browser mindestens „eine 128-Bit-Verschlüsselung“ brauche. Bei älteren Versionen laufe da nix. C.s Pech, wenn sie sich in Internetcafés oder Hotels herumtreibt, die nur schlappe 40-Bit-Verschlüsselung bieten. Man könne aber aus dem Internet jederzeit Verschlüsselungsstärken updaten. Nur mach das mal einem Internetcafébetreiber in Timbuktu klar.
Safety first, also bei den deutschen T-Giganten. Schließlich hat man den Telefonsäulen ja auch Kondome verpasst. „Dass die so was beherrschen, hätte ich ihnen gar nicht zugetraut“, meinte der Redakteur dieser Seite, als ich ihm von meinen Nachforschungen berichtete. Für den Hausgebrauch hält er T-Online für nicht so schlecht. Allerdings empfahl er, sich seine Mail über irgendein Mailprogramm abzuholen und die T-Online-Software-CD ganz weit wegzuschmeißen. Kusine R., die zu Geheimniskrämerei neigt, leuchtete die Verschlüsselungspolitik von T-Online spontan ein. „Aber eine Geheimniskrämerei, bei der ich meine eigenen Mails nicht lesen kann, finde ich nicht gut.“ THOMAS PAMPUCH
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