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Archiv-Artikel

oslo, nahostfrieden etc. J’accuse auf Norwegisch

„Das Beste wäre, wenn die UN ganz Israel/Palästina unter Administration stellen, politische Parteien, die auf Religion oder ethnische Zugehörigkeit gründen, verbieten würde, dafür sorgen würde, dass alle die Staatsbürgerschaft bekommen und das Land eine Verfassung erhält, die klar und deutlich sagt, dass alle Menschen gleich und mit gleichen Rechten geboren sind.“ Und, fährt der Osloer Professor für Sozialantropologie Thomas Hylland Eriksen fort: „Dann müsste man noch eine halbe Million Polizeibeamte aus der ganzen Welt dorthin schicken.“

Das ist ein aktuelles, aber ganz sicher noch lange nicht das letzte Echo auf die Provokation, die der norwegische Schriftsteller Jostein Gaarder vor einer Woche mit einem Text zum Nahost-Konflikt in die Welt gesetzt hat. Bei dem er vermutlich Zolas J’accuse im Hinterkopf hatte. Sich dann aber zu Vergleichen und Formulierungen verstieg, die ihn zwischenzeitlich veranlassten, bis auf weiteres seinen eigenen Beitrag zum Thema nicht länger kommentieren zu wollen. Das tun nun andere. In einem regelrechten Debattensturm, der seinesgleichen suchen dürfte. Niemand im intellektuellen Milieu des Landes scheint keine Meinung zum Nahost-Konflikt zu haben. Und diese auch unbedingt loswerden zu wollen. An gutgemeinten Vorschlägen à la Thomas Hylland Eriksen fehlt es dabei ebenfalls nicht.

Haben alle NorwegerInnen die traditionelle Rolle ihres Landes als weltweiter Friedensmakler – Stichwort: Nahost, Sri Lanka, Sudan – und Heimat des Friedensnobelpreises mittlerweile so verinnerlicht, dass sie sich berufen fühlen, ihren eigenen Beitrag zur Lösung eines der dringendsten politischen Weltprobleme leisten zu müssen? Es gibt in Norwegen eine ausgeprägte Kultur, die davon ausgeht, dass man mit guten Ideen – und ein wenig materielle Hilfe kann nie schaden – eine gesellschaftliche Entwicklung hin zu Frieden, Solidarität und menschlichem Fortschritt befördern kann – gut will man sein in Norwegen. Oder wie die ehemalige Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland es sich nicht scheute ganz ohne falsche Bescheidenheit auszudrücken: „Es ist typisch norwegisch, gut zu sein.“ Wenn das eigene Land so gut ist, dass man an jedem Haus stolz Flagge zeigt, dann kann ja am norwegischen Wesen auch die Welt zu Gutem genesen. Grundsätzlich auszusetzen ist an dem nationalen Brainstorming ja nichts. Vielleicht erblicken zwischen all den gutgemeinten auch noch richtig gute Vorschläge das Licht der Welt. Und realistische. REINHARD WOLFF