ortstermin : Horst Köhler – Präsident in 2D
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Es war wie Wasser und Öl. Und wenn man noch so schüttelt, zwei Königskindern gleich können die beiden nicht zueinander kommen. Zwei Phasen entstehen, würde der Chemiker sagen. So ähnlich fühlte es sich an, im Atrium der Hanse Merkur, bei der Eröffnung der fotografischen Wanderausstellung „Horst Köhler: Der Mensch, der Präsident“ von Christian Irrgang – man wollte einfach nicht Teil dieses christdemokratischen Gipfeltreffens werden.
Ein Blick auf den Gästelistenauszug dann bestätigte das Gefühl, dass einen beschlichen hatte, kaum dass man eingetreten war: Lars Dietrich, Marino Freistedt, Bettina Machaczek und der Hamburger CDU-Fraktionschef Bernd Reinert und Schleswig-Holsteins Finanzminister a. D. Jürgen Westphal. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Da wäre einem die Absage von Bundesfinanzminister a. D. Theo Waigel wie ein Himmelsgeschenk vorgekommen, wenn diese nicht gesundheitliche Gründe gehabt hätte. Aber Worte voll des Lobes wurden auch von anderen ausgeschüttet. Nach der förmlichen, aber nicht weniger huldvollen Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden der Hanse Merkur, Fritz Horst Melsheimer, übernahm NDR-Journalist Rolf Seelmann-Eggebert kurzerhand die Laudatio. Der Aristokratie-Experte wusste dann aus eigener Erfahrung vom Drehen mit dem Bundespräsidenten zu erzählen, dass dieser „sich wenig darum kümmerte, ob eine Kamera dabei war oder nicht“.
Man wollte dem aber wenig glauben schenken, wenn man kurze Zeit später Christian Irrgang, den Fotografen der Ausstellung und des gleichnamigen Buches, hörte.
Ein Jahr lang hatte der den Bundespräsidenten begleitet und diesen nach dem Vorbild amerikanischer White-House-Fotografen fotografiert. „Die Bilderflut des Fernsehens liefert Fast Food, flüchtige Eindrücke, die sich nach kürzester Zeit im schwarzen Loch des Vergessens verflüchtigen. Meine Reportagefotografie hingegen liefert nachhaltige und in Teilen intime Bilder des Menschen und Präsidenten Horst Köhler“, sagte er in seiner Ansprache und machte damit sowohl mangelndes Verständnis als auch panische Angst vor der Flüchtigkeit postmoderner Bilder deutlich: gegen sich verändernde Ästhetik das Bollwerk tradierter Fotografie. Warum auch nicht, dachte man, die amerikanischen Präsidenten arbeiten seit Jahren mit persönlichen Fotografen, die maßgeblich zu ihrer Image-Produktion beitragen.
Außerdem traf er beim anwesenden Publikum auf offene Ohren. Postmoderne? So’n Schiet. Wenigstens geht von jedem verkauften Buch eine, angesichts des Preises von 39,90 Euro mehr als dürftig wirkende Spende von einem Euro an ACHSE, die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen, deren Schirmherrin die Gattin des Bundespräsidentin, Eva Luise Köhler, ist.
Die betrat schließlich zur Scheckübergabe der ersten 3.000 Euro die Bühne. Kamera-Lächeln auf allen Gesichtern, anschließend auch von ihr einige Worte. Sich über ihren eigenen Mann zu äußern, das überging sie verständlicherweise, da sprach sie lieber noch mal über ACHSE, lobte Irrgang und verschwand von der Bühne im Gewühl der Menge. Mit wem sie auch sprach, man fühlte sich an Melsheimer erinnert, der das Publikum in seiner Begrüßung scheingefragt hatte: „Was treibt die Hanse Merkur dazu, ein Buch über unseren derzeitigen Bundespräsidenten zu machen? Die Chemie stimmte.“
Das traf auch auf die First Lady und ihre Gesprächspartner zu. Womit man wieder beim Anfang war. Allein. Und immer noch wie Wasser und Öl. MARTIN SPIEß