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Archiv-Artikel

ortstermin: bei der Verleihung der „Live Entertainment Awards“ in Hamburg Unter Kulturbetriebs-Nebenfiguren

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Deutschlands Konzertveranstaltern muss wohl die Dreigroschenoper in die Hände gefallen sein: „Die im Dunkeln sieht man nicht.“ So kann es nicht weitergehen, werden sie sich gedacht haben – flugs war der „Live Entertainment Award“ (LEA) geboren. Er prämiert, was sich rund um die Hauptdarsteller des Kulturbetriebes abspielt: Künstlermanagement zum Beispiel, Veranstaltungsplanung oder Nachwuchsförderung. In den Worten der Veranstalter: die „Mondlichter, die die wärmenden Sonnenstrahlen der Künstler reflektieren“. Aha.

Am Donnerstagabend wurden in Hamburg zum zweiten Mal die LEAs, die an eine zerknautschte Eintrittskarte erinnern, vergeben. Für die Veranstaltungsbranche ist der Abend Familientreffen und Gelegenheit, sich ausgiebig selbst zu feiern. Aber es gibt auch Tiefgründiges, das das Herz rühren und den Menschen neue Hoffnung geben kann: George Momboye nimmt den Preis für „Afrika! Afrika!“ entgegen, jene „Zirkusinszenierung“ von André Heller. In seiner Dankesrede weist der Choreograph darauf hin, dass es Afrika zwar schlecht gehe, aber Heller allen Afrikanern und dem gesamten Kontinent die Hoffnung zurückgegeben habe.

Der taz-award für die politische Entgleisung des Abends würde aber trotzdem anderswo landen: Die Kategorie „Beste Künstleragentur“ wird mit einer Laudatio von Thomas Anders eröffnet, und der entsprechende LEA geht an die Agentur „Künstlermedia“, die unter anderem Florian Silbereisen betreut. Ein gewisser Werner Kirsamer nimmt den Preis in Empfang und übertrifft spielend alle Vorurteile über den Volksmusikbetrieb: Zuerst lobt er seine Agentur für deren Pflege des deutschen Liedgutes. Es folgt ein enthusiastisch in den Saal geschmettertes Bekenntnis: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!“ Das Publikum reagiert teils mit Applaus, teils mit Schweigen, teils mit Buhrufen. Gegenüber der taz nennt Thomas Anders die Worte des Herrn Kirsamer später „nicht glücklich gewählt“.

Ansonsten bringt Moderator Götz Alsmann den Abend ohne größere Komplikationen über die Bühne: LEAs gehen unter anderem an die Veranstalter des Musicals „Käpt’n Blaubär“, an das Team des Olympiaparks München für die beste Location und an die Organisatoren der Tournee von George Michael. Das lassen sich Promis wie Verona Pooth, Udo Lindenberg, Nina Ruge und die „No Angels“ nicht entgehen. Unter Laudatoren wie Geehrten hätte sich mancher aber statt an Brecht lieber an Udo Jürgens halten sollen: Der gibt bei der Ehrung seines langjährigen Managers ein Ständchen und dichtet: „Wenn’s auch manchmal klüger wär’, ich wäre einfach still …“ KARIN CHRISTMANN