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Archiv-Artikel

ortstermin: Jugend trifft Medienprominenz Schlagt Dieter Bohlen

Die Idee hatten die Amerikaner, die ja schon länger Erfahrung mit Einwanderung haben – nicht, dass dort alles zum Besten stünde, aber es steht zumindest so, dass das amerikanische Generalkonsulat in Hamburg anregte, Medienleute und Schüler mit Migrationshintergrund zusammenzubringen. Das geschah am Dienstag im Hamburger Körber-Forum und, man muss es einfach sagen, sie hatten die richtigen Leute dorthin geholt. Das mag dadurch erleichtert werden, dass das Körber-Forum mit Geld unterwegs ist, was sich nicht nur im guten Papier des Einladungsbriefes, sondern auch in den automatischen Jalousien bemerkbar machte und schließlich am Buffet.

Die journalistische Prominenz, die man mit dem Körbergeld, vielleicht auch der guten Sache wegen, gewinnen konnte, war folgende: Der Politik-Chefreporter der Bild-Zeitung, Hans-Jörg Vehlewald, der stellvertretenden Chefredakteur des Abendblatts, Karl Günther Barth, der neue Chef des Spiegel, Mathias Müller von Blumencron und schließlich Andras Pawlouschek, Chef vom Dienst bei der Tagesschau. Die Richtigen also, was Bedeutsamkeit anbelangt und die Richtigen auch, was ihre Anfechtbarkeit anbelangt, vorn dran Bild. Aus Bild und Spiegel stammten zumindest die Beispiele, die die Schüler und Schülerinnen in die Höhe hielten, um daraus zu zitieren. Viele gut gekleidete Schüler übrigens, und natürlich müssen die Hemden weder den Körbers noch Herrn von Blumencron gegolten haben, aber bei einer Veranstaltung, die „Wie seht ihr uns?“ heißt, hatte es etwas Rührendes an sich.

Eingeladen hatte man Schülerinnen und Schüler aus vier Gesamtschulen, zwei Gymnasien, einen Ausbildungsstammtisch und einer Stiftung für berufliche Bildung und, wenig überraschend, war der Anteil mit Migrationshintergrund beim feinen Johanneum nahezu nicht existent und beim Gymnasium Hamm groß, die Begriffe „selektiv“, „Mediokratie“ und „Metapher“ kamen aus Johanneumsmund, die Zwischenrufe eher aus Hamm.

Was sie zitierten, war weniger rührend. Da gab es eine Vergewaltigung, bei der der Täter nur noch als „der Russe“ in der Bild-Zeitung auftauchte und diverse Spiegel-Titel über den islamischen Terrorismus – was Müller von Blumencron aber nicht als generelle Diffamierung des Islam verstanden wissen wollte. „Wir müssen uns mit dem Terror auseinandersetzen“, meinte er. „Und immer das Ganze, sprich den friedlichen Islam, mit in die Berichterstattung hineinzunehmen, das hieße, sie zu überfrachten.

Aber eben darum kreiste die Diskussion: Wer welche Verantwortung habe, der sensationslüsterne Leser, der nicht Lesende, der quotengierige Blattmacher. „Warum immer nur Negatives?“, fragten die Schüler – „Weil das Negative die Leser interessiert“, sagten die Journalisten. „Haben Sie nicht eine Verantwortung für Integration?“, fragten die Schüler – „Wir bilden Wirklichkeit ab“, sagten die Journalisten. „Werden Sie etwas an der Berichterstattung ändern?“ – „Schreiben Sie kritische Leserbriefe, werden Sie selbst Journalisten.“ Das sagte der Bild-Mann, der zu Beginn geblökt hatte, dass man auf einer Fahrt mit der S-Bahn jeden Tag hören könne, wie Menschen, die schon lange hier lebten, die deutsche Sprache vergewaltigten.

Da raunten die Schülerinnen und Schüler, aber man hörte ihm weiter zu und das war ihnen hoch anzurechnen. Dass sie bei allen leidenschaftlichen Wünschen an hintergründige Berichterstattung – „Schlagen Sie die Quote von Dieter Bohlen“ – selbst nicht unbedingt zu den Zeitungslesern gehören, beklagten die Medienleute. Und wollten nach neuen Wegen suchen. Und klangen dabei so mittel optimistisch.

FRIEDERIKE GRÄFF