ortsgespräch: Die Hitze hat die Stadt im Griff: Mit Infokampagnen allein ist noch kein Schutz in Sicht
Die erste, aber sicher nicht die letzte Hitzewelle des Jahres rollt durch Deutschland. Die Reaktionen zeigen: Das Thema Hitze wird zunehmend als Gefahr für die öffentliche Gesundheit anerkannt. Doch während sich das öffentliche Bewusstsein langsam wandelt, ist die Politik längst noch nicht dazu bereit, ernstzunehmende Anstrengungen zu unternehmen, um unsere Städte hitzefest zu machen.
In Berlin zum Beispiel klärt das Landesamt für Gesundheit mit ihrer Infokampagne „Bärenhitze“ über die Folgen von extremer Hitze auf. Auf mehrsprachigen Flyern empfiehlt die Behörde, „Trinken Sie ausreichend“, „Kühlen Sie sich ab“ und „Lüften Sie morgens“. Passend dazu bietet die Homepage der Kampagne eine interaktive Karte mit kühlen Orten in Berlin.
Auch sonst tut sich viel: Es gibt einen bundesweiten Hitzeaktionstag Anfang Juni, der noch mehr Aufmerksamkeit schaffen soll, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen stellen Hitzeschutzpläne auf, in denen etwa die Verlegung von gefährdeten Patienten in kühlere Zimmer vorgesehen ist.
Diese Entwicklung ist immerhin ein Bruch mit dem, wie extreme Hitze bislang in Deutschland wahrgenommen wird. Glaubt man den Bebilderungen zahlreicher Medienartikel, die zu jeder Hitzewelle erscheinen, bedeutet die extreme Wärme vor allem Freibad, Planschen im See und Schwitzen im Büro.
Dass Hitze lebensgefährlich sein kann, ist in viele Köpfe noch nicht vorgedrungen. So veranstalten Schulen auch noch bei über 30 Grad Sportfeste, bei Marathonläufen im Sommer kollabieren regelmäßig Athlet:innen. In den letzten beiden Jahren sind bundesweit laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts rund 6.000 Menschen durch Hitze verstorben.
Doch die Annahme, dass extreme Hitze allenfalls ein Ärgernis und nichts Lebensbedrohliches ist, hat sich auch in die gebaute Umwelt eingeschrieben. Öffentliche Plätze wie der Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte werden bei Neugestaltungen immer noch komplett zugepflastert, von kühlenden Verdunstungsflächen keine Spur. Zudem sind viele Wohnungen im Sommer unerträglich heiß – ein echtes Gesundheitsrisiko, gerade für Ältere und vorerkrankte Menschen.
Hier stoßen die gut gemeinten Ratschläge und Kampagnen an ihre Grenzen. Auch mit fünf Liter Wasser am Tag werden die 38 Grad in der Wohnung nicht erträglicher. Helfen würden bauliche Maßnahmen wie elektrische Rollos oder begrünte Fassaden. Doch die sind teuer, und kaum ein Vermieter ist motiviert, sie aus freien Stücken einzubauen. Auf Mietminderung, weil die Wohnung zu heiß ist, besteht kein Anspruch. Auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin machen da keinen Unterschied. Laut einer parlamentarischen Anfrage haben sie keinerlei Ambitionen, ihre Wohnungsbestände hitzefest zu machen. Stattdessen verteilen die Unternehmen Flyer für die besagte „Bärenhitze“-Kampagne des Senats.
Doch meint man es ernst mit dem Hitzeschutz, führt kein Weg daran vorbei, viel Geld in die Hand zu nehmen. Öffentliche und private Gebäude müssen fit gemacht werden. Statt immer nur neu zu bauen und nachzuverdichten müssen Flächen entsiegelt und begrünt, Krankenhäuser und Pflegeheime mit Klimaanlagen ausgestattet werden. Auch Planschen, Wasserspiele und Sprinkleranlagen kosten viel Geld.
So lässt der klimaresiliente Umbau deutscher Großstädte angesichts knapper Kassen und falscher Prioritäten auf sich warten. Infokampagnen kaschieren nebenbei, dass der Staat kein Geld für einen echten Hitzeschutz ausgeben will. Jonas Wahmkow
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