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orte des wissensKlare rote Linien

Das Hamburger Institut für Lufttransportsysteme entwirft Technik zu Zivil- und Katastrophenschutz und hat sich einem konsequent ethischen Ansatz verpflichtet: zu Waffen forscht man ausdrücklich nicht

Institut für Lufttransportsysteme (ILT), Technische Universität (TU) Hamburg – das klingt ­trocken auf den ersten Blick. Irgendwas mit Motoren und Sensorik, denkt man, mit Logistik vielleicht.

Wer mit dem Institutsleiter Volker Gollnick spricht, Diplomingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik, früher Manager bei Eurocopter und Flugversuchsingenieur für Hubschrauber beim Erprobungszentrum für Luftfahrzeuge der Bundeswehr, merkt, dass das zu kurz greift. „Wir sind technisch ausgerichtet“, sagt Gollnick. „Aber wir sind es nicht nur. Seit Anfang November ist ein Philosoph Teil unseres Teams. Unsere Mentalität, unsere Kopfhaltung, ist interdisziplinär.“

Das Institut für Lufttransportsysteme greift zu großen Worten, wenn es sich selbst beschreibt. Es betreibe „Forschung und Lehre in Verantwortung für den Schutz der Gesellschaft“, sagt es auf seiner Webseite.

Konkret: Das Institut befasst sich mit Analyse und Reduktion der Klimawirkung des Luftverkehrs, mit Machbarkeit, Kosten und Nutzen urbaner Luftmobilität, mit Technik für die Überwachung kritischer Infrastruktur, für die Reaktion auf Katastrophen, für militärische und antiterroristische Einsätze. Das geht von der Deichkontrolle per Drohne bis zum Medevac-Fluggerät, das Erkrankte und Verletzte aus Krisenzonen abtransportiert.

Das Institut ist klein, und die weitaus meisten der rund 15 Mitarbeitenden sind über Drittmittelprojekte finanziert. Das habe Nachteile, sagt Gollnick: „Wenn man so viele Beschäftigte schon nach drei oder vier Jahren wieder verliert, weil ihre Projekte abgeschlossen sind, steht das ja der Konservierung von Exzellenz und Kompetenz entgegen, die eigentlich wünschenswert wäre.“

Vieles, an dem das Institut arbeitet, reagiert auf gesellschaftliche Veränderungen, verändert seinerseits die Gesellschaft. Das elektrische Fliegen etwa, mit seinen Auswirkungen auch auf den Tourismus. Bei Flugtaxis etwa ist es wichtig herauszufinden, ob die Bevölkerung deren Start- und Landezonen überhaupt in ­ihrer Nachbarschaft akzeptieren würde. Eine Aufgabe für das Institut.

„Wir denken hier über die Zukunft der Gesellschaft nach“, sagt Gollnick. „Und das ist inspirierend, extrem faszinierend“. Veränderung gehöre zum Leben.

Das Institut sei im übrigen unabhängig und folge keinen Partikularinteressen oder Technologietrends, sagt Gollnick: „Wir reden niemandem nach dem Mund. Wenn es belastbare ­Ergebnisse gibt, dann gibt es sie, auch wenn sie nicht den Erwartungen des Auftraggebers entsprechen.“

Zu den Themen des Instituts zählt Sicherheitstechnologie. Bei ihnen ziehe man eine „ganz klare rote Linie“, sagt Gollnick: „Wir entwickeln und entwerfen keine Waffen. Das ist nicht das Feld einer zivilen Universität.“

Dem Institut geht es um die Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft

Mehr noch: Das Institut hat sich dem „Ethics by Design“-Ansatz verpflichtet. Hier geht es um die Verantwortung von WissenschaftlerInnen gegenüber der Gesellschaft: Wie weit darf eine technologische Neuerung gehen? Darf und sollte man alles entwickeln und bauen, was machbar ist? Das wird insbesondere bei der Autonomie eines Waffensystems wichtig.

„Technik ist nicht per se böse“, sagt Gollnick. „Im Prinzip ist weniger die Technik das Problem, als der Mensch, der sie anwendet. Aber Waffen, die selbst entscheiden, ob und was sie angreifen, sind ethisch völlig unverantwortlich. Was wir entwickeln, mag dem Piloten eine Entscheidungshilfe sein. Aber es muss ihm die Möglichkeit einräumen, den Einsatzprozess jederzeit zu stoppen.“

Oft sind die Wertedebatten am Institut für Lufttransportsysteme aber ganz zivil. Etwa, wenn es um die luftgestützte urbane Mobilität geht. Dann sind Juristen, Psychologen und Arbeitswissenschaftler eingebunden. Harff-Peter Schönherr

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