orte des wissens: „Graue Literatur“ kommt aus dem Schatten
Das Hildesheimer Hornemann-Institut stellt bislang nur vor Ort verfügbare Restaurations-Fachliteratur online und packt außerdem „Welterbe“-Koffer für Kinder, um auch Geschichte zum Anfassen zu bieten
Verblasste Schriftrollen, abblätternde Malereien, gebrochene Statuen – mit der Zeit drohen die letzten Überbleibsel unserer Geschichte zu verfallen. Dieses Kulturerbe zu erhalten, haben sich Denkmalpfleger:innen und Restaurator:innen weltweit zur Lebensaufgabe gemacht. Doch wie soll ihnen das gelingen, wenn sie ihr Wissen nur aus jenen Fachbüchern erwerben können, die bei ihnen vor Ort sind? „Viele Bücher, die bei uns als Standardwerke im Regal stehen, gibt es in den meisten anderen Ländern gar nicht“, erklärt die Kulturpädagogin Angela Weyer, Leiterin des Hildesheimer Hornemann-Instituts. Benannt ist es nach dem 1772 geborenen Hildesheimer Afrikaforscher Friedrich Konrad Hornemann.
1998 im Zuge der Expo 2000 gegründet und zunächst von einem gemeinnützigen Verein getragen, sucht das Institut das Problem unfair verteilten Wissens über die Restaurierung und Erhaltung kulturellen Erbes zu lindern. „Als wir damals angefangen haben, Fachliteratur kostenlos zugänglich im Internet zu veröffentlichen, waren wir echte Vorreiter“, sagt die Institutschefin.
Forschung im Logenhaus
Bis heute steht das „E-Publishing“ im Zentrum der Arbeit des Instituts, das seit 2003 der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) angegliedert ist. Und ob es um Projekt- und Forschungsberichte oder Grundlagenliteratur aus den Restaurationswissenschaften geht – auf der Website werden alle fündig, die sich für den Schutz von Kulturgütern interessieren.
Seit letztem Jahr arbeitet Angela Weyer mit einer Restauratorin und zwei wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen im Hildesheimer Logenhaus, einem 360 Jahre alten denkmalgeschützten Gebäude mit roten Fenstern und grünen Holzbalken. Bis dato hatte das Institut – nach dem Auszug aus dem Kaiserhaus, einem Renaissance-Bau – 21 Jahre in einem Nachkriegsbau residiert. Nun rückte man auch geografisch näher an die HAWK heran.
In ihrer Arbeit kämpfen die Mitarbeiter:innen gegen das an, was sie „graue Literatur“ nennen: unveröffentlichte Werke, in denen so viel Wissen stecke, auf das die Restaurator:innen weltweit angewiesen seien, sagt die Institutschefin. Oft gehe es um grundlegende Methoden, wie Kulturerbe gepflegt und erhalten werden könne. „Wir machen dieses Wissen im Internet für alle Menschen weltweit zugänglich, um ihnen zu helfen, ihr eigenes Kulturgut zu schützen“, sagt Angela Weyer.
„Welterbe“-Koffer für Kinder
Die Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit historischen Kulturgütern zu verbreiten, gelingt dem Hornemann-Institut auch mit deutsch- und englischsprachigen Online-Restaurationskursen, an denen alle Interessierten teilnehmen und bei erfolgreichem Abschluss Zeugnisse erwerben können. So findet ab April ein Kurs statt, bei dem die Teilnehmenden lernen, wie Schimmel auf historischen Dokumenten entsteht und was man dagegen tun kann. Noch in diesem Jahr soll der Onlinekurs übersetzt und auf Englisch angeboten werden, um auch dieses Wissen international zu teilen.
„Bildung über unsere Kulturgüter für alle“ – das ist das Motto der Institutschefin. Um Kulturgüter also auch für Kinder erfahrbar zu machen, stellt das Institut sogenannte „Welterbe-Koffer“ zusammen, die sich Lehrer:innen für ihren Unterricht ausleihen können. Begeistert erzählt Angela Weyer von einem der Koffer mit replizierten Stuckfiguren, deren Originale seit dem 12. Jahrhundert in der Hildesheimer Michaeliskirche hängen: „Die Kinder können die Figuren in die Hand nehmen, daran riechen und mit Werkzeug an dem Material kratzen. Nur so bekommen sie ein Gefühl für die Geschichte – und können sie anfassen.“ Lea Scholz
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