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olympia in pekingEin unpolitisches Fest, keine Parade

Wann hat es das je gegeben: Pekings Straßen voller Menschen – und es ist kein Aufmarsch, keine Parade? Zwar gab es gestern Abend, als es Millionen Chinesen nicht mehr vor dem Fernseher hielt, genug Grund zum Jubeln: Die Volksrepublik darf zum ersten Mal die Olympischen Spiele ausrichten. Aber wenn früher die Massen in solcher Zahl auf die Straße gingen, dann war Revolution und nicht Folklore angesagt. Dann ging es ums Ganze, um Macht und Leben und Tod – wie zuletzt 1989 während der Studentenrevolte, wie zuvor 1976 nach dem Tod von Tschou En-lai oder wie einst 1966, als Mao Tse-tung die Kulturrevolution ausrief. Nie schien Chinas revolutionäre Geschichte des 20. Jahrhunderts dem größten Fernsehvolk der Welt so fern wie gestern.

Kommentarvon GEORG BLUME

Die Olympischen Spiele wirken offenbar beruhigend: Die alte Radikalität der Massen ist verschwunden, stattdessen wollen die Chinesen feiern und dabei sein. In Peking versammelte man sich gestern nicht vor der Heldensäule auf dem Platz des Himmlischen Friedens, wo es die jungen Revolutionäre aller Generationen seit Mao hinzog, sondern vor dem neu errichteten „Jahrtausendaltar“, einem neutralen Staatsdenkmal, das frei von den Parteiparolen Chinas alten Geschichtsmythos pflegt. So ist die Volksrepublik dabei, sich eine entideologisierte postmoderne Öffentlichkeit zu schaffen, die ihrem Wesen nach unkritisch ist und ausklammert, was der Westen in China anklagt: Zensur, willkürliche Verhaftungen, Folter, Hinrichtungen.

Diese Menschenrechtsverletzungen wird Olympia in Peking nicht beseitigen. Dazu fehlen der neuen Öffentlichkeit schon finanziell die Möglichkeiten: Noch immer liegt das Pro-Kopf-Einkommen der Chinesen unter 1.000 Dollar im Jahr – weit entfernt von jenen 7.000 Dollar jährlich, die jeder Südkoreaner 1988 erwirtschaftete, als sein Land mit den Spielen in Seoul den Weg zur Demokratie zu beschreiten begann. Die Olympischen Spiele in Peking werden deshalb im besten Fall Spiele für eine Milliarde armer Fernsehzuschauer sein: für Bauern und Arbeiter, deren Kinder noch nie auf einer Aschenbahn gelaufen sind.

Dass damit die Herrschaft der Kommunistischen Partei Urständ feiere, war ein weiterer Einwand westlicher Kritiker gegen Olympia in Peking. Richtig ist: Der gestrige Sieg stärkt die Partei – doch in ihr die Reformer, die sich von den Olympischen Spielen eine Öffnung erhoffen. Das spürte gestern jeder Pekinger: In der Stadt herrschte Fest-, aber keine Paradestimmung.

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