oldschool-erinnerungs-lego von DIETRICH ZUR NEDDEN :
Eine der peinlichsten, ihrer latenten Aufdringlichkeit wegen umso peinlicheren Insignien des Älterwerdens ist die Kiste da in einer der hinteren Schädelecken. Diese Kiste, in der eine Sorte von mehr oder weniger bedeutenden Erinnerungen wie Legosteine kreuz und quer, drunter und drüber durcheinandern. Dauernd werden frische Elemente zugefügt, je nach Rauschfrequenz purzeln ein paar kurz- oder langfristig raus, ab und zu wird der Inhalt durchgeschüttelt: Wie der Im- und Export im Detail vor sich geht, bleibt selbst der positivistischen Hirnforschung ein Rätsel. Man steckt ja nicht drin.
Unabhängig von Einschaltquoten, Niederschlagsmenge und Binnenkonjunktur schiebt ein Kobold die Kiste immer öfter näher ran an die vorderen Regionen des Hirns. Warum sonst wächst ihr Raummaß sukzessive an? Übrigens handelt es sich überwiegend um die Old-School-Legosteine in den Grundfarben und mit Noppen obendrauf, die zwar technologisch den aktuellen Produktreihen der Firma wie Inventor, Bionicles und Spybotics unterlegen sind, deren Konstruktionsprinzip aber wenigstens grundsätzlich nachvollziehbar ist. Und jetzt die Überraschung, verpackt in ein Vokabular, das für einen in der digitalen Welt ahnungslosen Stümper wie mich nur den Reiz des Unverstandenen hat: Ein Synästhesie-Programm kodierte neulich mein Legostein-Gerümpel um in Klangbilder, so dass aus den – theoretisch jedenfalls – greifbaren kubischen Formen Musik wurde.
Die Software lieferte die Dezember-Ausgabe des „Rolling Stone“: Ausführlich wurde des 10. Todestages von Frank Zappa gedacht und anlässlich ihres 60. Geburtstags war ein Interview mit Joni Mitchell abgedruckt.
Wir hörten damals, wenn’s passte, den einen wie die andere, ohne das Gefühl zu haben, das seien zwei akustische Sonnensysteme auf Kollisionskurs. Zappa und Mitchell passten parallel nebeneinander ins Universum, weil es gar nicht genug Spektralfarben haben konnte.
Um ehrlich zu sein: Zappa ward trotzdem nicht geliebt, fand nicht den Eingang ins adoleszente Herz, das, soweit man weiß, über eine direkte Verbindung zu den Testikeln verfügt. Komplexe hatten wir selbst genug, da brauchten wir nicht noch komplexe Musik. Unbemerkt blieb, dass Zappa gar nicht die Absicht hatte, in die Herzen der Hörer vorzudringen.
Zappa zu mögen galt als Nachweis für intellektuellen, mehr noch, intelligenten Geschmack. Dave Rimmer schreibt, dass Zappa schon „postmodern war,bevor der Begriff überhaupt erfunden wurde“. Wer Zappa mochte, war ein Bescheidwisser und Durchblicker, geriet aber auch fix in die Zwangsjacke des Enzyklopädischen, die sonst nur Dylanologen tragen.
Dass Zappa in seiner Band keinen Drogenkonsum duldete, war kaum zu glauben und machte ihn suspekt, war doch seine Absicht durchaus spürbar, „das Schockieren als Kunstform“ bzw. „Rock als gültige Kunstform zu etablieren“. Unabhängig davon aber war das „Zappa-Bärtchen“ eine Neuheit, die heute – wahrscheinlich unter anderem Namen – wieder häufiger zu sehen ist.
Joni Mitchell dagegen war eine Göttin und der Name der LP ist „Hejira“.