off-kino: Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet
Der Weihnachtsmann ist tot. Und zwar nicht nur einer: Zu Beginn des Thrillers „Wild Christmas“ (Reindeer Games) liegen gleich mehrere erschossene Kapuzenträger im schmutzigen Schnee von Michigan und künden von einem reichlich misslungenen Raubüberfall auf ein Spielcasino. Doch weil in dem Film von Regieveteran John Frankenheimer nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, erzählen die Toten natürlich noch nicht die ganze Geschichte. Selbige erlebt man sodann aus dem Blickwinkel des Kleinkriminellen Rudy (Ben Affleck), der kurz vor Weihnachten aus der Haft entlassen werden soll. Doch Rudy weiß nicht so recht wohin und wünscht sich in der kalten Jahreszeit vor allem ein wenig Wärme: einen Kaffee, eine dicke Jacke und die Nähe einer Frau. Das alles scheint ihm Ashley (Charlize Theron) zu bieten, die Brieffreundin seines Knastkumpels Nick, unter dessen Namen sich Rudy an die Schöne heranmacht. Doch schon bald beschleicht einen das ungute Gefühl, dass Rudy nicht das große Los gezogen hat: Während die Musik noch „My Lonely Days Are Over“ säuselt, bewegen sich die Protagonisten durch eine Welt, über der unentwegt ein schmuddeliger Grauschleier zu hängen scheint. Es herrscht Verliererstimmung. Und richtig: Wenig später soll Rudy (der fasche Nick) wegen seiner vermeintlichen Ortskenntnis Ashleys angeblichem Bruder Gabriel (Gary Sinise) dabei helfen, das in einem Indianerreservat gelegene Tomahawk-Casino auszurauben. Doch auch Gabriel und seine Mitstreiter sind kaum mehr als klägliche Amateure, und dann gibt es da noch so einige Überraschungen, Lügen und Intrigen . . . Vieles erinnert in „Wild Christmas“ an die Filme der Gebrüder Coen: die inkompetenten Gangster, der grimmige Humor und die beiläufige, aber heftige Brutalität, die trotz absurd komischer Momente immer wieder daran erinnert, dass hier keine Komödie gespielt wird. Trotz der vielen überraschenden Wendungen der Geschichte hat Frankenheimer den Film ungemein gradlinig inszeniert, klassisch in seiner Einfachheit und in den sorgfältig komponierten Scopebildern.„Wild Christmas“ 22. und 23.12 im Filmkunsthaus Babylon
***Ein kleiner Kulturschock: Nach dem Unfalltod ihrer Mutter muss die behütete Sara (Julia Stiles) zu ihrem Vater ziehen, der als Jazzmusiker in einer heruntergekommenen Gegend von Chicago lebt. Saras neue Mitschüler sind fast alle schwarz, und plötzlich wird die 17-Jährige, die sich bislang nur für klassisches Ballett interessiert hat, mit der Hip-Hop-Kultur und den Problemen der Black Community konfrontiert. Welche Musik ist angesagt und welche Tanzschritte und Klamotten passen dazu? Klar, dass in einem von MTV koproduzierten Film auch die drängenden Lifestylefragen einer ganzen Generation verhandelt werden. Doch auch wenn in „Save the Last Dance“ reichlich aus dem Füllhorn der Klischees geschöpft wird, macht es sich Regisseur Thomas Carter mit der Darstellung von Jugendproblemen keineswegs leicht und entwickelt eine durchaus interessante Perspektive: Denn es ist keineswegs die neugierige und naive Sara, die sich in der neuen Situation nicht zurechtfindet, es sind die Mitschüler, die das weiße Mädchen als Bedrohung ihrer Gemeinschaft ansehen. Die Schwester ihres neuen schwarzen Freundes kontert Saras gut gemeinte Vorstellung, es gäbe doch nur eine Welt, in der wir alle leben, denn auch mit nur einem einzigen Satz: „Das glaubst aber auch nur du.“
„Save the Last Dance“ 20.12 bis 23.12./25.12 und 26.12 im Cinema am Walther-Schreiber-Platz
***Ein Traumschloss aus Licht und Schatten entwarfen Jean Cocteau und sein Kameramann Henri Alékan für die Märchenverfilmung „La Belle et la Bête“. Die Geschichte vom Sieg der Liebe über Selbstsucht und Gier gestalteten die beiden Künstler mit wenigen Dekorationsversatzstücken zu einem Triumph der Fantasie (und einer wunderschönen, leuchtenden Schwarzweißfotografie). Mittendrin: Jean Marais in einer Dreifachrolle als attraktives Biest mit aufwändiger Maske, als entzauberter Prinz und als eitler Freier der „Schönen“.
„La Belle et la Bête“ 21.12. im Klick
LARS PENNING
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