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österreich, haider etc.Die FPÖ klagt gegen den kulturellen Widerstand

Wer hat Angst vorm F-Wort?

„Seien Sie fair. Geben Sie uns eine Chance. Geben Sie uns Zeit. Messen Sie uns an unseren Taten.“ Als letzten Februar in Österreich die rechte Partei der Freiheitlichen an der Regierung beteiligt wurde, bat man die Öffentlichkeit, über einige der besonders diskreditierenden Statements hinwegzusehen – etwa die, Künstler „soziale Schmarotzer“ zu nennen, die „Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs“ zu loben oder dunkelhäutige Ärzte, die in Österreich arbeiten, als „Buschnigger“ zu beschimpfen.

Umgekehrt wurden und werden von den Freiheitlichen allerdings nicht die gleichen Maßstäbe angelegt. Lange bevor die F-Partei an die Regierungsmacht kam, war sie bereits damit beschäftigt, systematisch kritische Journalisten, Künstler und Kulturinstitutionen gerichtlich zu belangen. Nach österreichischem Gesetz ist die Beleidigung öffentlicher Personen (die dann als Privatmenschen gelten) mit bis zu 300.000 Mark oder bis zu zwei Jahren Gefängnis zu bestrafen.

Der Schriftsteller Werner Kofler war sich der Gesetzeslage sehr bewusst, als er 1997 sein Buch „Üble Nachrede – Furcht und Unruhe“ schrieb. Basierend auf Gerichtsverfahren gegen seine Person und gegen den Roman „Holzfällen. Eine Erregung“ (1986) von Thomas Bernhard, beleidigt er in diesem Werk hemmungslos eine Gruppe von Politikern (Jörg Haider), rechten Journalisten und Künstlern, die sich bereits in der Vergangenheit als Kunstfiguren in literarischen Werken wiedererkannt und gerichtliche Schritte gegen verschiedene Autoren eingeleitet hatten.

Durch den schlichten Trick, seine Worte ins Konditional zu setzen – er hätte diese Leute nur beleidigt, wenn er das Robert-Musil-Stipendium bekommen hätte, welches ihm die finanziellen Möglichkeiten eingeräumt hätte, das Memorandum „Meister der üblen Nachrede“ zu schreiben –, konnte Kofler die Freiheit der Kunst wiederherstellen und dabei zugleich die realen Effekte von Literatur hinterfragen. Wie erwartet wurde er von einem rechten Journalisten der Kronenzeitung angeklagt, aber vom Gericht freigesprochen.

Andererseits gab der staatliche ORF schon bald nach der „Übernahme“ die inoffizielle Order an seine Kulturredakteure, sich nur noch mit ihrem vermeintlichen Gegenstand zu beschäftigen. Als Reaktion auf den neuen Druck verstand es der Radio-DJ Fritz Ostermayer, die Popularität seiner Sendung „Im Sumpf“ dadurch zu steigern, dass er in schöngeistigster Manier selbst geschriebene „Hochkultur“-Lyrik vorlas, in der er die Regierung besonders scharf kritisierte. Ohne Namen zu nennen, ließen seine Werke die Hörer nicht im Zweifel darüber, wer hier attackiert wurde. Besonders riskante Passagen ließ er seine eigenen Kinder vortragen, da kein Gericht Minderjährige verurteilen kann.

Doch nun scheinen solche hervorragenden und ironischen Eskapaden immer mehr zu verschwinden. Selbst couragierte Kulturinstitutionen wie der Internet-Provider t0-Public Netbase verzichteten darauf, kritische Beiträge zu veröffentlichen, trotz bereits gewonnener Prozesse gegen die F-Partei. Lediglich bekannte und wohlhabende Künstler, die nicht auf staatliche Subventionszahlungen angewiesen sind und mit einem breiten Medienecho rechnen können, leisten sich – wie jüngst André Heller – das „Schmankerl“, hochrangigen FPÖ-Regierungsmitgliedern die Stirn zu bieten. Nachdem bekannt wurde, dass er mit seinem Rechtsanwalt Daniel Charim eine ausgeklügelte Strategie ausgearbeitet hatte, mit deren Hilfe der Prozess des kürzlich verurteilten Politologen Anton Pelinka neu aufgerollt werden sollte, zogen Jörg Haider & Co ihre Anzeige zurück.

Die Informationen, die die FPÖ seinerzeit illegal über Heller bei der Polizei angefordert und auch bekommen haben soll, scheinen ihr nichts genützt zu haben. Bleibt zu hoffen, dass das Buch „Ich gestehe“ des Expolizisten und ehemaligen freiheitlichen Gewerkschafters Josef Kleindienst und der damit ausgelöste Spitzelskandal, wonach Haider und Konsorten jahrelang mit Hilfe enger Mitarbeiter aus Polizeikreisen vertrauliches Aktenmaterial über Politiker und Künstler für politische Zwecke missbraucht haben sollen, dem Rechtsgebaren der Freiheitlichen einen gehörigen Dämpfer versetzt.

Zu Zeiten der Sanktionen hat die F-Partei noch davon geträumt, ihre Politik der Litigation auf den internationalen Bühnen ausbauen zu können. Man drohte, „gerichtliche Schritte“ gegen die EU einzuleiten. Laut FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer stand dafür Großbritannien mit dem BSE-Skandal Modell, weil man dort „alles blockiert hatte, bis man bekam, was man wollte“. So etwas würde einen natürlich zu der Aussage verführen, dass Österreich besser von wahnsinnigen Rindern regiert würde als von Riess-Passer und ihresgleichen – wenn man es denn sagen dürfte. EVA GRUBINGER

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