piwik no script img

Archiv-Artikel

normalzeit HELMUT HÖGE über die Döberitzer Heide

Blühende Landschaften, so weit das Auge reicht

„Naturfilmer Prof. Heinz Sielmann stellt Stiftungsprojekt in der Döberitzer Heide vor“, kam es über den Ticker. Ist das der Sielmann – über den Wiglaf Droste so gerne schreibt? Nichts wie hin! Und tatsächlich: Die Heinz Sielmann Stiftung, in der Heinz Sielmann federführend ist, hatte hinter Staaken 3.422 Hektar Naturlandschaft erworben, die zuletzt der Roten Armee als Truppenübungsplatz diente. Den dortigen Kasernensozialismus überlebten jedoch selbst seltene Arten wie Ziegenmelker und Fischotter, Sumpfknabenkraut, Lungenenzian und Sonnentau. Nun sollen noch Wisent- und Wildpferdeherden dazu kommen – so will es Heinz Sielmann.

Als wir ankamen, waren wir mit fünf Euro dabei – als „Förderer“ seiner dortigen „naturplanerischen Maßnahmen“, deren erster Teilabschnitt bereits kurz vor dem Abschluss stand, wovon man jedoch quasi naturgemäß wenig sehen konnte. Dafür stand das „Informationszentrum für Besucher“ schon – und aus Anlass des Aktionstages viele weiße Informationszelte am Eingang.

Dahin gelangt man über das berühmte Dorf Dallgow-Döberitz, wo es seit der Wende ähnlich wie in der Äußersten Mongolei mehr Pferde als Menschen gibt. Dahinter kommt dann ein Abzweig ins „Olympische Dorf“, was heute eine moderne rot leuchtende Siedlung für Frischvermählte ist, sowie in die Reichsbahnsiedlung Elstal, wo sich heute die eurasische Missionszentrale der US-Baptisten befindet. Vorher biegt man aber rechts ab über die Bundesstraßenbrücke, die direkt zum Parkplatz der Sielmann’schen Naturlandschaft führt. Von den geplanten Schaugehegen existiert bis jetzt nur eins mit Ziegen, die uns jedoch alle freundlich begrüßten.

Über den Stifter erfuhren wir dann anhand einiger Broschüren und von kundigen Naturfreunden: Der Tierfilmer Heinz Sielmann arbeitete in den 50er-Jahren mit dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz zusammen und unternahm mit Hans Hass eine Schiffsexpedition zu den Galapagos-Inseln, an der sich auch der Lorenz-Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt beteiligte. 1964 gründeten Hass und Eibl-Eibesfeldt ein Privatinstitut für biologische Analysen menschlichen Verhaltens in Liechtenstein, das unter anderem auch Leni Riefenstahl – bei ihrem Unterwasser-Filmprojekt – unterstützte. Sielmann blieb bis 1991 dem NDR verbunden. Seine große Zeit im deutschen Fernsehen waren die 70er-Jahre, wo er langsam den Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek an Beliebtheit übertraf, mit dem zusammen er die Zeitschrift Das Tier herausgab. Sielmanns 170 Sendungen aus der Zeit nannten sich „Expeditionen ins Tierreich“. Er bemerkte jedoch, dass das Genre Tierfilme immer inflationärer wurde. Zusammen mit seinem „Haussender“ widmete er sich in den 80er-Jahren erst filmisch und dann, nach seiner Trennung vom NDR 1991, auch praktisch dem Naturschutz: mit einer Stiftung.

Die 1994 gegründete „Heinz-Sielmann-Stiftung“, in dessen wissenschaftlichen Beirat u. a. Eibl-Eibesfeldt sitzt, kauft und sichert große Flächen vorwiegend in Ostdeutschland, um dort Wild- und Naturlandschafts-Parks einzurichten: 2.742 Hektar Braunkohlefolgelandschaft um Wanninchen bei Luckau, 1.055 Hektar Seenlandschaft bei Groß Schauen, 900 Hektar ehemaliges Grenzgebiet im Eichsfeld, 13 Hektar Stauseelandschaft im Glockengraben bei Teistungen und zuletzt eben die 3.422 Hektar große Döberitzer Heide.

Darüberhinaus beteiligt sich die Stiftung, die ihre Zentrale auf dem Gut Herbigshausen bei Duderstadt eingerichtet hat, auch noch an der „Darwin Forschungsstation“ auf den Galapagos-Inseln, an einigen Vogelschutz- und -pflegestationen in Deutschland und Italien sowie an der russischen Vogelwarte Rybatschi (früher Rossitten) auf der Kurischen Nehrung, wo das Sielmann’sche Naturfilmen kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann.

Wenig später wurde er erst Lehrer in der Funkerausbildung, wo er Joseph Beuys kennen lernte, und dann von der Wehrmacht als Tierfilmer auf Kreta eingesetzt. Dort blieb er bis zum bitteren Ende – und drehte. Die siegreichen Engländer schickten ihn dann samt seinem Filmmaterial nach London, wo er für die BBC drei Tierfilme daraus machte. Über diesen Sender gelangte er schließlich auch wieder zurück nach Deutschland – zum NDR.

Das war’s. Aber so viel erfährt man sonst selten bei einem Ausflug in stadtnahe Naturlandschaften.