noch 74 tage bis zum euro: taz-Serie über unser neues Geld
Den Finnen fällt der Abschied von ihrer Mark, einem Symbol der Selbständigkeit, leicht
Den FinnInnen schien es mit der Einführung des Euro nicht schnell genug zu gehen. Bereits 1999 tauchte in den ersten Supermarktketten die doppelte Preisauszeichnung in Mark und Euro auf. Im Dezember letzten Jahres meldete der Einzelhandelsverband zufrieden, dass in über 80 Prozent aller Geschäfte die Doppelpreise eingeführt seien.
Dies ist erstaunlich. Von den nationalbewussten FinnInnen hätte man eigentlich einen Empörungssturm wegen der Abschaffung der heimischen Mark erwarten können. Ist die Finnmark doch nicht nur ein Nationalsymbol unter vielen, sondern das Symbol für die Selbständigkeit des Landes schlechthin.
Die FinnInnen blicken nämlich auf eine lange Geschichte unter der Knechtschaft fremder Währungen zurück. Der schwedische Reichstaler war im 17. Jahrhundert die erste landesweit gültige Währung in Finnland. Und an die Stelle dieses Kolonialgeldes trat dann nicht die eigene Währung, sondern der russische Rubel, als 1809 der Zar das Land zu seinem Eigentum erklärte. Doch bereits 1811 wurde im Rahmen der Teilautonomie eine „Finnlands Bank“ gegründet, die die langen Zügel der Zarenherrschaft zur Herausgabe einer eigenen Parallelwährung nutzte. Bis es ausgerechnet Lenin war, der mit der Gewährung der finnischen Selbständigkeit die Voraussetzung für die Gründung der finnischen Zentralbank und die Einführung der Finnmark als Landeswährung schaffte.
Vermutlich fällt den FinnInnen der Abschied vom Nationalsymbol deshalb nicht so fürchterlich schwer, weil sich ihre Mark zumindest in einer Hinsicht mit einer sprichwörtlichen Eigenschaft der deutschen Namenscousine niemals messen konnte: der Stabilität. Kriegszeiten und die absolute Dominanz der Forstwirtschaft über die finnische Nationalökonomie brachten sie mehr als einmal in den Abwertungssog. Nachdem man sich einmal für eine EU-Mitgliedschaft entschieden hatte, war die Einführung des Euros daher auch keine allzu strittige Frage mehr: Die Finnmark sei ganz einfach zu klein und anfällig, um allein überleben zu können – das ist bei ÖkonomInnen wie NormalfinnInnen die absolut vorherrschende Einschätzung. Prangen jetzt noch die Häupter von Schriftstellern und Architekten auf den Scheinen, werden es auf der Rückseite der Euromünze fliegende Schwäne sein. Einen König hat Skandinaviens einzige Republik ja nicht und auf einen einzigen nationalen Kulturkopf wie Österreich mit seinem Mozart konnte man sich nicht einigen.
Wie in allen anderen Euroländern wird der großen Geldtauschaktion in Finnland mit wachsender Unruhe entgegengesehen. Der Polizei ist vor der nahen „Russenmafia“ bange. Eine erste Welle falscher 500-Mark-Scheine ist bereits in den Geschäften aufgetaucht. Man glaubt, dass in der Umtauschphase vor allem gefälschte Alt-Mark in Mengen über die Ostgrenze eingeschleust werden wird. Und in den Fälscherwerkstätten in St. Petersburg werden angeblich schon Euros gedruckt.
REINHARD WOLFF
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