noch 144 tage bis zum euro: taz-Serie über unser neues Geld. 18.Teil
Der Osten ist scharf auf den Euro
Die Beitrittskandidaten haben keine andere Wahl. Während Dänemark oder Großbritannien zwar Mitglied der EU sind, auf den Euro aber lieber verzichten, mussten sich die Staaten Ostmitteleuropas verpflichten, den Euro nach ihrem Beitritt zur Union einzuführen.
Dennoch wird man in Prag oder Warschau wohl kaum vor 2007 Kronen und Zloty einstampfen. Wenn die ersten Kandidaten 2004 in die Union aufgenommen werden, dürften noch mindestens zwei, wahrscheinlich aber drei bis vier Jahre vergehen, bis sie „euroreif“ sind. Zum einen müssen sie sich zwei Jahre am Wechselkursmechanismus der EWU beteiligen, andererseits gelten natürlich auch für sie die Maastrichter Konvergenzkriterien.
So darf die jährliche Inflationsrate nur 1,5 Prozent über derjenigen der drei preisstabilsten EU-Länder liegen, also bei derzeit rund 4 Prozent. Eine Bedingung, die 2000 allein Tschechien und die baltischen Staaten erfüllten, in Ungarn und Polen lag die Inflationsrate dagegen bei 10 Prozent.
Besser sieht es beim Schuldenstand aus. Lediglich Ungarn und das so und so nicht für die erste Beitrittswelle vorgesehene Bulgarien liegen hier über den vorgeschriebenen maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Beim Budgetdefizit, das maximal 3 Prozent des BIP betragen darf, sind Tschechien, die Slowakei und Rumänien nicht euroreif.
Nimmt man alle drei Kriterien, zeigt sich, dass momentan allein das Baltikum, nicht aber die „großen Drei“ Polen, Tschechien und Ungarn den Euro einführen könnten. Allerdings haben alle zehn Staaten beim Abbau von Inflation und Haushaltsdefizit schon große Fortschritte gemacht.
Ein Hauptgrund für diese Anstrengungen: Die Osteuropäer wollen den Euro möglichst schnell. Zu klar liegen für sie die Vorteile – wie Preistransparenz und einheitlicher Wirtschaftsraum – auf der Hand. Zumal die eigenen Währungen nach zahlreichen Abwertungen nicht hoch im Kurs stehen.
In der EU selbst wird dagegen über die Risiken diskutiert, die die Transformationsstaaten dem Euro bereiten könnten. So wuchs deren Volkswirschaft in den vergangenen Jahren schneller als die der EU-Mitglieder. Eine einheitliche Geldpolitik könnte, so Experten, der unterschiedlichen Konjunkturentwicklung nicht gerecht werden. Für die Kandidaten entfiele die Möglichkeit, den Wechselkurs zur Konjunktur- und Inflationssteuerung zu verwenden.
Insgesamt jedoch gilt, dass die wirtschaftliche Bedeutung der zehn Kandidaten nicht besonders groß ist. Sie erreichen zusammen weniger als 6 Prozent des BIP der 12 EWU-Staaten. Daraus folgt, dass sie auch die wirtschaftliche Entwicklung der EWU kaum beeinflussen können.
Angst, dass mit der Osterweiterung der Wert des Euro fällt, ist also nicht angebracht. Dennoch bleibt natürlich ein psychologischen Faktor. Traut man den Osteuropäern weiterhin ein starkes wirtschaftliches Wachstum zu, wird der Kurs der neuen Währung steigen. Rechnet man mit politischen Turbulenzen, wie sie sich derzeit in der Slowakei mit der Rückkehr Vladimír Mečiars ankündigen, wird er sinken.
SABINE HERRE
Und nächsten Donnerstag: Immer mehr falsche DM-Scheine im Umlauf
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