nicht verpassen! : Kriegskindheit
„Soldatenkind“, 23.30 Uhr, ARD
Auf Spurensuche in einer fremden Heimat: Der 73-jährige Walter Tilemann fährt nach Russland, wohin er mit seinen kommunistischen Eltern als Einjähriger auswanderte. Russisch kann er nicht mehr, nur ein Foto aus dieser Zeit hat er noch: Seine Eltern hatten es aus Moskau an Verwandte in Deutschland geschickt. In Russland wirkt er wie ein Fremder, einsam. Er kehrt allein zurück an die verlassenen Stationen einer Kindheit zwischen Stalinismus und Faschismus: die Moskauer Wohnung seiner Eltern, wo er immer auf den Vater wartete. Das Kinderheim, in dem er von den anderen Kindern als „Faschistenkind“ geschimpft wurde. Den Ort, wo er auf russische Partisanen traf und sich ihnen anschloss. Und schließlich das Dorf Schilowo, wo er als Neunjähriger von deutschen Wehrmachtsoldaten aufgegriffen und von ihnen zu einem Kindersoldaten gemacht wurde.
Inga Wolframs Film begleitet Tilemann auf seiner späten Suche. Das Alleinegelassenwerden, das sich durch dessen Kindheit zieht, bestimmt auch diesen Film, der dadurch still und langsam wird: Zeitzeugen gibt es nicht, der einzige Protagonist ist Tilemann, der sich den eigenen schmerzlichen Erinnerungen aussetzt und gleichzeitig versucht, Neues zu erfahren. Das Schicksal seines Vaters klärte sich für Tilemann erst durch den Film vollständig: Er wurde nach seiner Verhaftung 1937 als Spion verurteilt und erschossen. Inzwischen ist er rehabilitiert. Die Mutter sah Tilemann erst nach 15 Jahren wieder, die sie in Sibirien verbracht hatte. Mutter und Sohn kannten sich kaum noch. Kerstin Speckner