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Archiv-Artikel

nicht verpassen! Wille mit Fluppe

„Helmut Schmidt außer Dienst“ (22.45 Uhr, ARD)

Natürlich stolpert die ARD in den Ankündigungen von Superlativ zu Superlativ: Dieses Porträt von Helmut Schmidt und seiner Ehefrau Loki sei das „persönlichste, intimste und offenste, das je im deutschen Fernsehen zu sehen war“.

Tatsächlich aber ist bei zwölf (!) Treffen ein Film herausgekommen, der immer wieder vor verschlossener Tür stehen bleibt. So weiß man auch nach 90 Minuten nicht wirklich, worüber er mit Schäuble & Co. spricht, was er beim China-Besuch ausrichten will und ob es so etwas wie einen Fixpunkt in seinen scheinbar grenzenlosen politischen Interessen gibt.

Stattdessen zeigen Sandra Maischberger und ihr Ehe- und Kameramann Jan Kerhart einiges von dem, was man vom Privatmann Schmidt längst weiß. Es gibt aber auch einige lichte Momente, was bei Schmidts leidenschaftlicher Verschlossenheit kein kleiner Erfolg ist. Da erzählt ein gar nicht mehr gelassener Schmidt dann von einem Treffen mit Breschnew, bei dem er den SU-Staatschef überzeugen wollte, dass nicht alle deutschen Soldaten Faschisten waren. „Was haben Sie ihm erzählt?“, fragt Maischberger. „Das kann ich im Gedächtnis nicht reproduzieren“, zieht sich Schmidt aber auch hier wieder ins Innere zurück.

Manches, an das sich Maischberger und Kerhart nicht heranwagen, erzählt dafür Loki Schmidt, die gleichermaßen kluge wie herbe Ehefrau. Explizit, wenn sie Maischberger bittet, den ehemals brillanten Pianisten Schmidt nicht mehr zum Spielen aufzufordern: „Das wäre zu bitter für ihn.“ Und implizit, wenn sie Henry Kissinger zuflüstert: „Don’t forget us.“ Bleibt das Ärgernis, dass Zeit-Herausgeber Theo Sommer über den mutmaßlich untreuen Ehemann Schmidt unkommentiert sagen kann: „Er war 100 Prozent Mann. Dann kann man nicht treu sein.“

Manches indes bügelt Schmidt auch selbst aus: „Wie viel Leidenschaft braucht man als Politiker?“, fragt ihn Maischberger. „Leidenschaft braucht man nicht“, pampt Schmidt. „Man braucht Willen und Zigaretten.“ FRIEDERIKE GRÄFF