neuer bafög-entwurf: Die Reform der Wunsch-Reform
Wie die gute Fee wandelt Bildungsministerin Bulmahn derzeit durch die Lande: Auf ihrer Werbetour für Ostbetriebe verbreitet sie gute Laune über die steigende Zahl an Lehrstellen. Mit Mitteln aus den UMTS-Milliarden will die Zukunftsministerin klamme Familien mit Tragecomputern beglücken. Und nun bringt sie auch noch eine deutlich verbesserte Ausbildungsförderung unters Studentenvolk. Kein Zweifel, das Bulmahn’sche Füllhorn nötigt Respekt ab. Wenn es ihr wirklich gelänge, die Bafög-Kürzungen der Regierung Kohl zu revidieren, dann wäre schon viel gewonnen. Im Bildungswunderland sind wir deswegen in Deutschland mit seinen 16 kulturegoistischen Provinzen noch lange nicht.
Kommentarvon CHRISTIAN FÜLLER
Das Bafög zu renovieren ist nämlich keine Wohltat, sondern schiere Notwendigkeit. Derzeit profitieren nur noch knapp 15 Prozent der Studierenden von der gesetzlichen Studienförderung. Die Regierung Kohl hat seit Anfang der 80er-Jahre die Ausbildungsförderung systematisch abgebaut. Zuletzt kennzeichnete eine absurde Zahl das Bafög: Die ehemaligen Empfänger zahlten mehr an den Bund zurück, als die Studentenwerke an Studienstütze an die aktuelle Studentengeneration überwiesen. Die soziale Folge: Von 100 Kindern einkommensschwächerer Schichten schafften gerade noch 8 den Sprung in die Hochschulen. Diese skandalösen Zustände will Bulmahn nun beenden.
Ob es ihr gelingt, ist keineswegs sicher. Was die Ministerin jetzt vorgelegt hat, ist lediglich der Entwurf eines Gesetzes, das im kommenden Sommer in Kraft treten soll. Das Publikum wurde in den letzten Jahren immer wieder mit Bafög-Vorschlägen traktiert. Doch bisher blieb es bei folgenlosen Absichtserklärungen oder marginalen Verbesserungen.
Besonders übel wurde Bulmahns großem Reformentwurf mitgespielt. Die jetzige Bafög-Novelle ist ja, das sollte man nicht vergessen, bloß die Billigausgabe eines Bafögs, das allen Studierenden zugestanden hätte. Es ist noch kein Jahr her, da war die Zustimmung für dieses vollständig neue Bafög komplett. Das heißt: fast komplett. Nur der Kanzler wollte nicht. Schröder meinte, das Kindergeld (das bei einem „Bafög für alle“ direkt an die Studierenden gegangen wäre) bräuchten schließlich die Eltern – fürs Abbezahlen ihrer Eigenheime. Eine launige Absage, die viel über den märchenhaften Stellenwert aussagt, den Studenten für die Regierung Schröder haben: den von Kobolden.
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