nebensachen aus warschau : Meterhohe Mauern und Alarmanlagen – der polnische Traum von den eigenen vier Wänden
Die Warschauer haben einen neuen Sport entdeckt: Sicheinmauern. My home is my castle, ist die Parole. Ruhe und Luxus hinter hohen Mauern genießen, das konnten sich in Polen einst nur Parteibonzen leisten. Später waren es die oft mysteriös zu Geld gekommenen Neureichen. Heute wollen auch die Nowaks und Kowalskis ihre Mauer haben.
Amerikanische Luxusvillen mit Swimmingpool hinter meterhohen Mauern – das ist der Traum vieler Polen. Wenn es dazu nicht reicht, sollte es wenigstens ein Apartment in einem Wolkenkratzer sein – mit einem doorman in dunkelblauer Uniform, der den Bewohnern die Glastür in der hall öffnet, Gäste telefonisch anmeldet, Bettler und Diebe aber fernhält.
Der amerikanische Traum vom richtigen way of life ist auch der polnische. In Warschau rast die Polizei mit amerikanisch klingenden Sirenen durch die Stadt, Neonreklamen blinken die ganze Nacht, und Heerscharen von blau livrierten Wachmännern patrouillieren durch die Viertel der Besserverdienenden.
Als ich mich mit einem Freund in einer der inzwischen 200 „geschlossenen Siedlungen“ Warschaus verabrede, warnt er: „Vergiss deinen Pass nicht!“ Ich fahre los. Am Stadtrand taucht die Siedlung auf. Von weitem blinkt die zwei Meter hohe, blendend weiß verputzte Mauer mit ihrem roten Ziegeldach in der Sonne. Die einzige Zufahrt führt zu einem Schlagbaum mit Wachhäuschen. Ein Wächter kommt, wirft einen Blick ins Wageninnere und fragt: „Zu wem möchten Sie? Können Sie sich ausweisen?“ Verblüfft sehe ich ihn an. Als ich aussteigen will, fährt er mich an: „Bleiben Sie sitzen!“
Langsam verschwindet er mit meinem Pass in seinem Wachhäuschen, wählt eine Telefonnummer, fixiert abwechselnd mich und meinen Pass. Schließlich kommt er wieder heraus. „Herr Goralski erwartet Sie. Dritte Straße links, Nummer 8.“
Tatsächlich steht Filip schon mit seinem Dackel auf der Straße und winkt. Kameras folgen jeder unserer Bewegungen. Rund um Haus und Garten zieht sich eine massive Natursteinmauer. Im Haus blinkt eine Alarmanlage. Filip drückt einen Kopf. „Für den Wachmann vorne“, sagt er. „damit er weiß, dass alles in Ordnung ist.“ Ich sehe ihn irritiert an: „Werden wir auch abgehört?“ Er schüttelt den Kopf. „Das ist zu unserer Sicherheit.“ Stolz zeigt er mir die Wanzen und unsichtbaren Kameras im Haus. „Ich habe sogar einen Notaggregator, falls der Strom ausfallen sollte.“
Ich nicke und nehme ein Messer aus der Küchenschublade. „Hast du das System mal getestet? Los, schrei! Jetzt müsste der Wachmann kommen, oder?“ Filip brüllt, was das Zeug hält. Es geschieht nichts. Fliehen kann Filip auch nicht, weil er die Schlüssel im Bad hat liegen lassen und ich sie eingesteckt habe. Prima Sache für die Einbrecher, so eine doppelte Mauer. GABRIELE LESSER