nebensachen aus peking: Tee trinken in der Grroßen Halle des Volkes
Einladung zum Frauentag
Tee trinken in der Großen Halle des Volkes von Peking – das hatte ich mir schon lange gewünscht. Deshalb sagte ich sofort zu, als mir die Einladung auf den Schreibtisch flatterte:
„Aus Anlass der 92. Wiederkehr des Internationalen Frauentages am 8. März bittet der Allchinesische Frauenverband um das Vergnügen Ihrer Anwesenheit beim Empfang im Bankettsaal der Großen Halle des Volkes.“ Zu diesem Ereignis lädt der Frauenverband nicht nur verdiente Chinesinnen ein, sondern auch Diplomatinnen, Botschafterfrauen, ausländische Expertinnen und Journalistinnen.
Schon der Weg zum Ziel war ein Vergnügen: Für die Gäste der Großen Halle hielt die Polizei eine Sonderspur auf der Straße des Ewigen Friedens frei. Polizisten in weißen Handschuhen winkten jedes Auto mit Sonderausweis durch.
Über lange rote Läufer, die sich durch die riesigen Hallen des stalinistischen Baus am Rande des Tiananmen-Platzes ziehen, eilte ich mit hunderten Frauen in einen Bankettsaal von den Ausmaßen eines Fußballfeldes: Dort waren große runde Tische mit Tellern voller Kekse, Bonbons, Mandarinen, Nüsse und Fruchtgelee gedeckt.
„Areal A“, direkt vor Bühne und Rednerpult, ist für alte Revolutionärinnen, Politikerinnen, prominente Wissenschaftlerinnen, hohe Offiziere der Volksbefreiungsarmee und das Diplomatische Corps reserviert. Ich finde Platz im „Areal B“. Neben mir sitzen Frau Yang vom Frauenverband der Universität Jilin, einer Provinz im Nordosten Chinas, sowie die Offiziere Wu und Wang.
Die Soldatinnen tragen leuchtend rote Schärpen mit der Aufschrift „Ausgezeichnete Frauen des 8. März“ auf der grünen Uniform, an der Brust baumelt eine Medaille. Die 25-jährige Wang, seit dem 11. Lebensjahr bei der Sportlereinheit der Armee, ist wegen ihrer eisernen Kampfmoral beim Fünfkampf ausgezeichnet worden.
Nachbarin Wu hat sich als Sanitäterin der nördlichen Grenztruppen hervorgetan: „Ich arbeite vier Mal so viel wie andere“, sagte sie. Während die Funktionärinnen des staatlichen Frauenverbandes am Rednerpult die Errungenschaften der Frauen in der Vergangenheit und die Herausforderungen der Zukunft beschwören, legt mir Frau Yang frisch geschälte Mandarinenscheiben auf den Teller.
Dabei berichtet sie von ihren Versuchen, Firmen und Ämter dazu zu bringen, mehr Frauen einzustellen: „Man muss ihnen kräftig auf die Füße treten, die wollen doch immer nur Männer haben“, sagte sie. Alle nicken, auch die als Modellgefängniswärterin geehrte Polizistin auf der anderen Seite des Tisches. Die Wärterin entdeckt Sympathien für ihre Gefangenen: „Manche werden durch das Leben zu Verbrecherinnen gemacht“ – und meint damit vor allem tyrannische Ehemänner.
Alle nicken wieder, und auf der Bühne läuft jenes Programm ab, das schon jahrzehntelang zur offiziellen Frauentagsfeier gehört: Ein berühmter betagter Sänger schmettert „O sole mio“, eine berühmte betagte Sängerin jauchzt von ihrer „Liebe zum chinesischen Mutterland“.
Eine Balletttruppe hüpft – mal als kesse Matrosinnen, mal als ethnische Minderheiten verkleidet – zur Musik der Militärkapelle über die Bühne. Nach 90 Minuten setzen Frau Wu und Frau Wang zufrieden ihre grünen Militärmützen auf, und alle schreiten auf dem roten Teppich zurück in die chinesische Männerwelt. JUTTA LIETSCH
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