nebensachen aus moskau: Der Brand von Moskau
Wenn Sonnenstrahlen vor Rauch kapitulieren
Moskaus Hygiene-Bürokraten sahen keinen Anlass, die Bürger unnötig zu beunruhigen. Tagelang lag die CO2-Belastung nur um das Zwei- bis Dreifache über der Norm. Für Leib und Leben, versicherte die Gesundheitsbehörde routinemäßig, bestünde keine Gefahr. Erst als die Sichtweite auf Armlänge schrumpfte, luftreinigende Ionisatoren vergriffen waren und der Nasenschutz halbstündlich erneuert werden musste, warnten die Verantwortlichen vorm Luftholen und möglichen Schäden.
Der Gouverneur des Moskauer Umlands verhängte inzwischen den Ausnahmezustand, selbst vorm Sprühen von Zimmerpflanzen wird nunmehr gewarnt. Feuchtigkeit erhöht die Vergiftungsgefahr. Gestern versank die Hauptstadt endgültig in einem milchigen Schleier. Hatte die Sonne vorher Nebelwölkchen noch zärtlich umspielt, kapitulieren ihre Strahlen nun vor den Schwaden.
Ende der Woche brannten 600 Hektar Wald und Torf im Osten und Norden Moskaus. 2.250 Feuerwehrleute sind dort im Einsatz. Gäbe es sie nicht, müsste die Stadt wohl evakuiert werden – hinter den Ural, denn vor einer Fahrt ins lodernde Umland rät die Stadtverwaltung ab.
Die Verantwortung für das Ausmaß der Brände wird zwischen den Verwaltungen hin- und hergeschoben. Dabei ist eines klar: Leichtsinnige Beerensammler, Jäger und Spaziergänger mit brennenden Kippen und ungesicherten Feuerstellen verursachen die meisten Feuer. Noch ist es in Russland üblich, Abfälle hinter sich auf der Stelle zu entsorgen. Die Entscheidung des Bürgermeisters letzte Woche, die Mülltrennung einzuführen, ist daher ein mutiges Bekenntnis zur Futurologie.
Aber erst gilt es die Feuer zu löschen. Meteorologen befürchten, bis Mitte der Woche werde sich die Suppe nicht verdünnen. Nordwind könnte erst in der zweiten Wochenhälfte für Erleichterung sorgen. Regnen wird es auf keinen Fall. Auch sonst fehlt es an Wasser. Mittlerweile werden die Bürger gar angehalten, sparsam damit umzugehen und lecke Hähne zu reparieren. Fast eine ökologische Revolution.
Präsident Putin hat sich unterdessen aus dem Rauch gemacht. Am Schwarzmeer wartet er auf günstige Winde. Dass er nichts anbrennen lässt, hat er am 11. September vor einem Jahr bewiesen, als er ins Boot der Antiterrorkoalition kletterte.
Lokalfürsten reagieren langsamer. Besonders jener im Bezirk Schatura, der es nicht einmal für nötig hielt, das Jagen zu verbieten. Ihm brannte ein ganzes Dorf nieder. Nicht er, sondern Feuermann Wiktor Schirokow zog Konsequenzen und legte seine Arbeit nieder. Er war von Jägern mit Karabinern und Jagdschein im Anschlag bei der Arbeit behindert worden. Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist in Russland erlaubt – eine Frage der Mentalität.
Anlässlich des Moskauer Stadtfestes vorige Woche hatte Stadtpatron Jurij Luschkow noch Wölkchen vom Himmel mit Hilfe der meteorologischen Luftarmada vertreiben lassen; zurückzaubern kann er sie nun nicht mehr. Dazu müsste man den Herrscher in Minsk bitten, Alexander Lukaschenko, der seinen von Trockenheit gebeutelten Bauern zur Hilfe kam: „Sie baten mich, und ich ließ es regnen.“ Wie das Wasser im Umland sind die weißrussisch-russischen Beziehungen jedoch auf einem Tiefpunkt. Was tun?
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