nebensachen aus madrid: Wenn Polizisten nicht einmal laufen können
Die Guardia Civil: In Uniform mit Krückstock
„Endlich grüne Ärmel“, heißt eines der Sprichwörter, mit denen der spanische Volksmund einen jemanden bedenkt, der zu spät kommt. Erinnert wird damit an die grün uniformierte Guardia Civil, die den Ruf hat, nie zur Stelle zu sein, wenn sie gebraucht wird. In Zukunft ist etwas mehr Rücksicht und Respekt angebracht: Vielleicht ist der Beamte ja nur „bedingt einsatzfähig“.
Nach Angaben des Madrider Anwaltes Francisco Fernández Goberna jedenfalls sind acht bis zehn Prozent ihrer 70.000 Beamten eigentlich dienstuntauglich. Ausgemustert werden sie dennoch nicht. Das Budget des Hauses lässt dies nicht zu. So hinkt ein Beamter auf dem Flughafen von Madrid-Barajas in Uniform und Krückstock durch die Wartehalle. Ein anderer wurde nach einem Verkehrsunfall mit steifem Bein von der Motorradpolizei zur Landschaftsschutztruppe versetzt. Auch dort muss er ein Zweirad lenken. Kollegen helfen ihm beim Auf- und Abbocken der Maschine.
Ein anderer Elitepolizist bewacht nach einer irreversiblen, krankhaften Deformation der Füße Räumlichkeiten, in denen auch Waffen gelagert sind. Er kann kaum stehen, von einer eventuellen Verfolgungsjagd ganz zu schweigen. Die Polizeistiefel drücken zu stark. Deshalb trägt er zur Uniform seine eigenen Latschen. Ein anderer Beamter im direkten Dienst einer Regierungsstelle kann nicht länger als eine Minute still stehen, dann wird er ohnmächtig mit Gedächtnisausfall.
In den Papieren der Betroffenen steht: „Bedingt einsatzfähig“ – ein Eintrag, der schnell zum Alptraum wird. Ohne das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, sind die Möglichkeiten, sich zu wehren und die Versetzung in die Reserve – bei entsprechender Rente – zu erzwingen äußerst gering.
Die Ärzte, die die medizinischen Gutachten erstellen, gehören der Armee an. Und Personaloffiziere entscheiden über Verbleib oder Rückzug. Viele der Betroffenen werden den Verdacht nicht los, dass sie solange auch unter Schmerzen zum Dienst gezwungen werden sollen, bis sie von selbst unter Verzicht auf die Rente ausscheiden. Wenige tun dies. Denn ihre Polizeiausbildung nützt im zivilen Leben nur wenig.
Jetzt hat einer der Betroffenen den Gang zum Anwalt gewagt. Heimlich versteht sich. Denn in der Einheit gilt so etwas als Verrat und grober Fehler. Und darauf steht unehrenhafte Entlassung. Und der Rechtsgelehrte fand etwas.
„Bedingt einsatzfähig“ gibt es zwar bei der spanischen Armee, im neuen Gesetz für die Guardia Civil aus dem letzten Jahr ist ein solcher Status jedoch nicht vorgesehen. Demzufolge gibt es auch keine Arbeitsplätze für Schwerbeschädigte. „Die Folge für die Guardia Civil sind nicht absehbar“, meint Fernández Goberna.
Sollten er und sein Mandant Recht bekommen und die Richter den Status „bedingt einsatzfähig“ tatsächlich für gesetzwidrig erklären, dann wären bis zu 7.000 Beamte illegal im Einsatz. Alle Befehle, die sie gegeben oder entgegengenommen haben, wären damit ebenfalls nicht rechtmäßig. „Die Vorgesetzten könnten dann zu Rechenschaft gezogen werden“, droht Fernández Goberna, der von einem Betroffenen weiß, dessen Akte zur Zeit wohlwollend überprüft wird, um einen Prozess zu vermeiden.
REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen