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nebensachen aus kabulWesentliche Ereignisse aus der Sicht der afghanischen Presse

Kommunisten, Islamisten, eine Front

In der afghanischen Stadt Jalalabad fand vor kurzem der „Orangenblüten“ - Poetenwettstreit statt. Wie der zeitungslesende Afghane weiß, zeichnet sich Jalalabad unter anderem durch seine ausgedehnten Zitrusplantagen aus. Und wenn es blüht, muss gefeiert werden. Also versammelten sich dort Dichter aus mehreren Provinzen, trugen ihre Poesie vor, und die Besten von ihnen wurden dann vom Ministerium für Information und Kultur, das sich schon bleibende Verdienste um das buddhistische Erbe des Landes erworben hat, mit Geldpreisen ausgezeichnet.

Wenn wir schon von den Buddhas reden: Fast zeitgleich fand in der Weißen Moschee von Jalalabad eine „große Zusammenkunft“ statt (Günther Schabowski hätte das wahrscheinlich „eine machtvolle Manifestation der Werktätigen der Orangenblütenstadt“ genannt, aber die Poeten waren ja alle beim Baumblütenfest). Dort brachte die massenhaft anwesende Bevölkerung „ihre volle Unterstützung für die Maßnahmen des Islamischen Emirats Afghanistan zur Zerstörung der Idole und Statuen“ zum Ausdruck. Gleichzeitig verurteilten die zusammengetrommelten Werktätigen „die Propaganda und Reaktion der blasphemischen Welt“. Mit anderen Worten: Die Nicht-Muslime sollen das Maul halten, weil sie von Kultur sowieso nichts verstehen.

Unter „Weltnachrichten in Kürze“ berichtet die Kabul Times (KT) über die deutschen Castor-Transporte und die Proteste im Wendland. Richtig, Genossen: Der Kapitalismus ist unmenschlich, das müssen auch die werktätigen Muslime vermittelt bekommen.

Unterdessen läuft auch der Wettbewerb „Unsere Städte und Gemeinden sollen schöner werden“ wieder auf Hochtouren. So kann der Abteilungsleiter Begrünung des Kabuler Bürgermeisteramts stolz mitteilen, dass „in den letzten Wochen 7.000 ornamentelle Setzlinge in den Parks und Straßen Kabuls“ gepflanzt worden seien. Im Babur-Garten, wo der Begründer des Moghulreichs in inzwischen abgeholztem Ambiente seine letzte Ruhestätte gefunden hat, sowie im Neustadt-Park erwarten laut dem bereits zitierten Abteilungsleiter nun zwei neue Gewächshäuser auch „ausländische Gäste“. Eine echte Konkurrenz für die Buddhas von Bamian!

Der Kabuler Begrünungschef hat auch von Erfolgen seiner Behörde beim Umweltschutz zu berichten: „Im vergangenen Jahr wurden 40.000 Kubikmeter Müll von 50 Kippern in die Chimtala-Wüste überführt und dort vergraben.“ Gleichzeitig kritisierte er die Kabuler Bevölkerung, dass sie sich an den neu angepflanzten Setzlingen vergriffen. Aber leider ist Feuerholz eben knapp und teuer und für die zahlreichen Arbeitslosen unbezahlbar.

Hoffnungsvoll stimmt der Artikel „Bald normale Stromversorgung für Kabul“. Darin wird ein Verantwortlicher mit der Aussage zitiert, der Stausee eines der für die Versorgung der Hauptstadt bedeutenden Wasserkraftwerke sei derzeit so knapp gefüllt, dass es zu „notwendigen Abschaltungen“ komme.

Aber er bleibt trotzdem optimistisch: „So Gott will, wird die Stromversorgung Kabuls Tag und Nacht gewährleistet.“

Übrigens hat nun auch das Kabul-Hotel „nach langen Jahren der Pause“ (erst als Ruine, dann als Taliban-Schlafquartier) wieder auf. Das geht aus einer Anzeige in der neuesten KT-Ausgabe hervor. Und zwar mit Luxuszimmern mit Bad und „Heiß- und Kaltwasserversorgung 24 Stunden lang“. Falls gerade keine „notwendige Abschaltung“ stattfindet.

Und nun das Wetter: Wenn Allah will, regnet es morgen.

JAN HELLER

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