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Archiv-Artikel

nebensachen aus brandenburg (teil 13) Alleen und Arbeitslose: Oberhavel

In Brandenburg wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Die taz stellt bis zur Wahl die 14 Brandenburger Landkreise vor. Heute: Oberhavel.

OHV ist das Autokennzeichen des Landkreises Oberhavel. Rivalisierende Fahrer übersetzen das gern mit „Ohne Hirn und Verstand“, der Oberhaveler selbst mit „Ostler haben Vorfahrt“. Dass man OHVer so oft auf der Straße sieht, liegt an der Fläche des Landkreises. Riesig ist er, reicht von Pankow bis Fürstenberg, wo man schon ein sehr mecklenburgisches Gefühl bekommt. Die 196.000 Oberhaveler – vom Baby bis zum Greis – fahren nämlich 102.000 Autos. Mit denen kreuzen sie auf ihren grandiosen Alleen, deren Bäume der Regelungswut des brandenburgischen Straßenverkehrsamts vor einigen Jahren fast zum Opfer gefallen wären: Weil die Zahl der Holzkreuze am Straßenrand – vor allem der Bundesstraße 96 – alarmierend zunahm, erwog man in der Strausberger Behörde das Fällen der Bäume.

Daraus ist Gott sei Dank nichts geworden. Der Oberhaveler besann sich: Er fuhr ein wenig aufmerksamer und wartete darauf, dass die neue, vierspurige B 96 fertig wird. Dieser Ausbau ist inzwischen in vollem Gange. Die Kreisstadt Oranienburg, durch die sich bis vor zwei Jahren täglich viele, am Wochenende unzählige Autos schoben, verfügt inzwischen über eine flotte Ortsumgehung, die bis zur Uckermark ausgebaut wird.

Richtung Norden – immer entlang der Havel – wird es ruhiger. Die Siedlungsdichte nimmt ab, die Zahl stillgelegter Firmen zu. Oberhavel ergeht es da wie allen Landkreisen, die an Berlin grenzen: So weit die S-Bahn fährt, können die Kommunen über Zuzug und Steuereinnahmen nicht klagen. Sind es im Südkreis 16 Prozent Arbeitslose, suchen im Nordkreis 22 Prozent der Menschen einen Job. Dem reisenden Berliner mag es verlockend erscheinen: stille Waldseen, hin und wieder ein altes Herrenhaus – schön! Dass aber, wer hier lebt, nur H-Milch in der Speisekammer hat, weil der nächste Supermarkt eine Viertelstunde Fahrt bedeutet, übersieht man leicht. Deshalb drängen sich auch immer mehr Menschen an der Berliner Stadtgrenze. Hohen Neuendorf, Hennigsdorf oder Lehnitz können sich nicht über mangelnde Zuzügler beschweren.

Denen machen es die Oberhaveler nicht leicht. Freundlichkeit, Herzlichkeit gar sind rar gesät. Zugang zum rauen Märker findet jedoch schnell, wer entweder Kinder hat oder einem Verein beitritt. Am besten dem Kreisanglerverband. Dem gehören 5.600 Mitglieder an, und fährt man den schönen Radwanderweg Berlin–Kopenhagen ab, sitzt quasi hinter jeder Biegung eins. Schweigend, versteht sich, denn das passt zum Oberhaveler.

Geführt wird der Landkreis von SPD-Landrat Karl-Heinz Schröter. Da er und seine 19-köpfige Fraktion meist genauso wie die 16-köpfige CDU-Fraktion abstimmen, verschwendet er kaum Energie darauf, die Oberhaveler Kreistagsbeschlüsse plausibel zu machen. Hier kann man noch getrost von einer „kleinen DDR“ (M. Stolpe) sprechen: Im Kreistag wird „nach vorne diskutiert“. So straft Schröter stoisch eine Bürgerinitiative mit Missachtung, die den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Germendorf verhindern will. Wie er überhaupt viel lieber läuft als redet: Jeden Morgen joggt er 15 Kilometer von seinem Wohnort Hohen Neuendorf zum Dienstsitz Oranienburg. Und natürlich ist er in einem Verein organisiert: im Team Oberhavel. ANJA MAIER

Morgen: Uckermark