nebensachen aus bangkok: In Thailand sind die Straßen stets verstopft, was dem Spaß an blitzenden Karossen keinen Abbruch tut
Nicht auf die Garage, auf deren Inhalt kommt es an
Als unser kleines Haus das erste Mal wie ein Elektrobass vibrierte, glaubte ich noch, ein Flugzeug sei in unserem Garten notgelandet. Jetzt weiß ich es besser: Es war nur mein Nachbar, der seinen roten Ferrari angeworfen hatte. Die dröhnenden Druckwellen aus dem tiefliegenden Motor laufen genau in unsere Richtung.
Meistens muss mein Nachbar den Wagen nur ein paar Meter umrangieren, damit er die anderen Autos aus dem Gartentor fahren kann. Der Platz vor seinem Haus ist knapp, weil er hier unter anderem auch noch den Mercedes, den Landrover und einen Pickup mit Vierradantrieb unterbringen muss.
Mein Nachbar ist ein freundlicher Mann Anfang dreißig, der vor ein paar Monaten mit seinem Söhnchen, einer jungen Frau und mehreren Hausangestellten zu uns gezogen ist. Außerdem ist er Erbe eines beachtlichen Vermögens, das unter anderem in „Massage“-Etablissements erwirtschaftet wird. Das hat unser Vermieter mir verraten, mit dem der Nachbar und wir uns den Garten teilen.
Nein, wir wohnen keineswegs in einem Nobelviertel von Bangkok – im Gegenteil. Unser Häuschen ist schlicht, die Miete günstig. In unserer Gasse grenzen Einfamilienhäuser an kleine Geschäfte und Pensionen für Tagelöhner und Motorradtaxifahrer. Ein paar größere Villen stehen neben Handwerksbetrieben, Hinterhofdruckereien und Billigschneidereien, in denen Frauen für weniger als zehn Mark am Tag arbeiten. Dann sind da noch eine Doggenzucht, eine Schnellküche und einige Wäscherinnen, die bei Bedarf auch Haare schneiden.
Keiner meiner thailändischen Besucher findet es merkwürdig, dass unser reicher Nachbar, dessen Fuhrpark gut und gern um die zwei Millionen Mark gekostet haben mag, so bescheiden wohnt. Als Prestigesymbole sind Häuser unwichtig. Wer in Thailand was darstellen will, gibt sein Geld zuerst für eines aus: einen schicken Schlitten. Dass viele Autos wegen der hohen Steuern fast doppelt soviel kosten wie in Deutschland, erhöht den Reiz noch.
Ferraris sind allerdings auch in Bangkok rar. Aber ein Nobelgefährt soll es schon sein. Im Tempel in der Gasse hinter unserem Haus steht ein goldschimmernder Mercedes, gleich neben den Statuen der Elefantengottheit Ganesch, Konfuzius und der Schlange Naga. Vor wenigen Tagen machte der Abt eines anderen Tempels Schlagzeilen: Er hat sich von den Gläubigen in den letzten Jahren Dutzende Mercedesse schenken lassen. Als Kritiker ihn beim obersten buddhistischen Rat wegen Abkehr von der reinen Lehre anzeigen wollten, reagierte der Mönch verständnislos: Er sammele gern diese wunderbaren Wagen, was denn daran auszusetzen sei?
Es gibt eben auch in Thailand Spaßverderber. Dazu gehört zum Beispiel Premierminister Chuan Leekpai. Am internationalen autofreien Freitag in der vorigen Woche stieg der Regierungschef sogar aufs Fahrrad, um zur Arbeit zu gelangen. Oppositionspolitiker sprachen von einer „westlichen“ Marotte. Der Verkehr staute sich wie eh und je. Mein Nachbar löste das Problem auf seine Weise: Er ließ den Ferrari zu Hause und nahm den BMW. JUTTA LIETSCH
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