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nachrufDirkWildt

Foto: Andreas Schoelzel

Wir können, wollen es nicht glauben, aber wahr ist: Urplötzlich ist vor wenigen Tagen unser Freund und früherer Kollege Dirk Wildt an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde nur 62 Jahre alt. Sein Lebensweg war eng mit der taz verbunden.

Nach Abitur und Taxischein begann er mit 19 als autodidaktisch ausgebildeter Pressefoto­graf bei der taz Hamburg. Er sei „so ziemlich der einzige gutgelaunte Mitarbeiter“ gewesen damals, erinnern sich frühere KollegInnen. In den späteren achtziger Jahren wechselte Dirk zur taz nach Berlin, er wollte zu neuen Ufern. Er fühlte sich wohl in der Zentrale unserer Tageszeitung.

In der Nacht des 9. November 1989 fotografierte er für die taz den Mauerfall, sattelte aufs Redakteursfeld um, wurde taz-Korrespondent für das Berliner Abgeordnetenhaus und nahm, mittlerweile alter Hase, einige taz-Neulinge an die Hand, auch den Autor dieser Zeilen.

Erstaunlich, wie Dirk immer wieder seinen Berufsweg änderte. Weil er sich inzwischen mit Finanzpolitik und Statistiken auskannte, kreierte er erstmals die Stelle eines Finanzcontrollers in der taz, die er auch gleich selbst einnahm – oft nicht zur Freude der Geschäftsführer.

Die Berliner SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing heuerte Dirk schließlich als ihren Pressesprecher an. Mit liebevollem Lächeln ob der Erinnerungen an Dirk erzählen Kollegen in der taz, dass, als er in Dienstzeit bei Fugmann-Heesing war, sich beide zum Verwechseln ähnlich sahen: „Schwester Vokuhila“, aber das in Würde. Als man unseren Kollegen deshalb anflachste, erwiderte er nur: „Wer hat, der hat!“, woraufhin sein schlagfertiger Kommentar mit Gelächter kommentiert wurde. Im Grunde, ließe sich sagen, hatte Dirk das Charisma auf den zweiten Blick – und dann umso inniger.

Zur Jahrtausendwende profitierte dann der Berliner Tagesspiegel ebenso von seinem Durchblick als Finanzcontroller. Aber besser fühlte er sich beim selbstständigen Arbeiten: Dirk war ein unternehmerischer, fast amerikanischer Charakter, gründete später eine Firma für Internetdienstleistungen, dann für Datenbankprogrammierung.

Mit seiner Frau, der Puppenspielerin Annika Pilstl, zog Dirk nach Bayern, sie bekamen dort zwei Söhne. Seit Jahren engagierte er sich dort als grüner Lokalpolitiker im Landkreis Passau. „Papa for Future“ lautete sein Wahlmotto. Die Ablehnung der Atomkraft und der Schutz des Klimas gehörten für ihn zusammen. Ungerechtigkeiten störten Dirk sehr.

So initiierte er einst Mitte der neunziger Jahre eine am Ende erfolgreiche Klage gegen die Praxis, dass der damalige Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ausgewählte JournalistInnen zu Dienstreisen einlud, gratis – auf Kosten des Senats und des Sponsors der Lufthansa. Als Journalist war er in dieser Hinsicht pingelig, ja geradezu unerbittlich und angstfrei. Autoritäten galten ihm nichts.

Man konnte sehr hart mit ihm streiten. Aber das zeichnete ihn als Menschen aus: Man konnte sich mit ihm auch wieder von Herzen vertragen. Und, klare Sache, feiern, das ging mit ihm wirklich. Der erfahrene Kreuzberger WG-Bewohner wusste, wie das geht. Wir sind traurig. Hannes Koch

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