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Foto: getty images

Nat Hentoffist eine Legende. Das schreibt sich so hin, aber bei ihm stimmt es: Alle, die ein Jazzalbum zu Hause stehen haben, besitzen Exemplare, für die der legendäre New Yorker Autor einst die Linernotesverfasst hat. Von Art Blakey über John Coltrane bis Zoot Simms, die Diskografie derjenigen Alben, für die Hentoff etwa seit Mitte der fünfziger Jahre Begleittexte geschrieben hat, dürfte sicherlich in die Hunderte gehen.

Seit jener Zeit war Nat Hentoff auch als Musikkritiker für Magazine wie Down Beat, The Village Voice oder den New Yorker tätig. Sein Stil war minimalistisch und treffend. Später schrieb er auch Artikel für die Tageszeitung The Washington Post, war jahrelang Kolumnist und verfasste mehr als 35 Sachbücher und sogar Romane, von denen kaum welche ins Deutsche übersetzt wurden. In den Clubs von Manhattan war er in den Fünfzigern durchaus gefürchtet. „Ich kannte alle Schwächen der Jazzmusiker, aber auch ihre Stärken. In guten wie in schlechten Zeiten habe ich sie für ihre Integrität und für ihren künstlerischen Mut bewundert“, erinnerte er sich. Was kaum bekannt ist: In den Sechzigern betätigte sich Nat Hentoff zeitgleich mit dem Erstarken der Bürgerrechtsbewegung als Menschenrechtsautor. Freunde und Kollegen haben Nat Hentoff für seinen leidenschaftlichen Stil geschätzt. „Vieles seiner Texte beruhten auf persönlichen Beobachtungen“, schrieb die New York Times in ihrem Nachruf.

Hentoffs Eltern waren Einwanderer mit russisch-jüdischen Wurzeln. Er wuchs im Bostoner Bezirk Roxbury auf, inmitten einer Gemeinde von anarchistischen und anderen linken revolutionären Abweichlern. Das rebellische Aufbegehren, das leidenschaftliche Neinsagen gegen jede Form von autoritärem Verhalten prägte seinen Schreibstil. Während des Studiums an der Northeastern University machte Hentoff zusammen mit anderen Autoren der Studentenzeitung antisemitische Tendenzen von Geldgebern der Universität öffentlich und wurde gefeuert. Trotzdem schaffte er seinen Abschluss und berief sich zeitlebens immer wieder auf den ersten US-Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Presse regelt. Am Samstag ist Nat Hentoff im Alter von 91 Jahren gestorben. JW

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