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nachrufThomas Dreger ist tot

In seinem ersten Artikel für die taz, im September 1990 aus Bagdad übermittelt, beschrieb Thomas Dreger die verwirrenden Auswirkungen des internationalen Embargos gegen den Irak. Thomas, damals 25 Jahre alt, hatte in Münster und Damaskus Politologie und Islamwissenschaften studiert, sprach Arabisch und war zum Zeitpunkt der irakischen Besetzung Kuwaits eigentlich zu Forschungszwecken im Irak. Er kam nicht mehr weg, wurde schließlich vom CNN-Team in Bagdad als Nachrichtenübersetzer angeheuert, begann gleichzeitig Artikel für die taz zu schreiben. Robert Wiener, der damalige Leiter des CNN-Büros in Bagdad, erwähnt Thomas in seinen Erinnerungen – und Thomas Dreger erwähnte das CNN-Team in seinem ersten taz-Artikel. Schließlich konnte er noch vor Beginn des Golfkriegs ausreisen – und ärgerte sich dann, nicht mehr am Ort des Geschehens zu sein. Ab 1991 war er als Redakteur in der Auslandsredaktion der taz für den Bereich Nahost zuständig.

 Ein Blick ins taz-Archiv weist 789 Artikel aus, die Thomas seither für die taz verfasst hat, unter dem vollen Namen oder seinem Kürzel „taud“. Thomas stand für taz-Auslandsjournalismus in Hochform: kompetent, über den Tag hinaus informiert, engagiert für die Menschenrechte und diejenigen in seinem Berichtsgebiet, deren Stimme zum Verstummen gebracht werden sollte. Etwa den iranischen Schriftsteller Faradsch Sarkuhi. Als der im November 1996 in Teheran vor Antritt einer Deutschland-Reise auf ungeklärte Weise verschwand, war Thomas der Erste, der in den deutschen Medien auf Solidarität drängte. Im Mai 1998 konnte Faradsch Sarkuhi nach Deutschland ausreisen, und Thomas interviewte ihn schon am Flughafen.

 Sein Redakteursdasein wurde Thomas zunehmend zu eng, er wollte wieder mehr reisen, mehr persönlich erfahren von jenem Teil der Welt, der ihm ans Herz gewachsen war. So verließ er die taz nach fast zehn Jahren im Herbst des Jahres 2000.

 Ein Jahr später wollte er noch einmal für ein paar Monate an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren – vertretungshalber. Es wurden nur ein paar Wochen. Es ging ihm nicht gut. Thomas Dreger sprach wenig über sich, noch weniger über seinen Gesundheitszustand. Hilfsangebote lehnte er ab, wie immer. Es sei alles in Ordnung.

 Im November vergangenen Jahres schrieb er vom heimischen Arbeitsplatz aus seinen letzten Kommentar für die taz. Am Donnerstag, knapp drei Wochen nach seinem 37. Geburtstag, wurde Thomas in seiner Wohnung in Berlin-Grünau tot aufgefunden. BERND PICKERT

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