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Archiv-Artikel

museumschefin alexandra hildebrandt vor gericht Die Unschuld vom Checkpoint Charlie

Es soll hier wahrlich nichts verharmlost oder gar zur Gewalt aufgerufen werden: Aber die gestrige Verurteilung von Alexandra Hildebrandt zu einer Geldstrafe (750 Euro) wegen Auf-die-Hand-Treten und „Arschloch“-Sagen ist doch zu happig. Wenigstens hätten wir erwartet, dass die ehrwürdige Richterin Hildebrandt wenn schon nicht freispricht, so doch höchstens zu einer Stunde Sozialdienst im Unfallklinikum Marzahn, Abteilung Handchirurgie, verdonnert. Da könnte die Leiterin des Museums am Checkpoint Charlie und Nahkämpferin für Flucht, Frieden und Freiheit in blutiger Wirklichkeit sehen, wohin Auf-die Hand-Treten führen kann. Zu bösen Frakturen, Verkrüppelungen, Sehnenrissen und Schlimmerem.

Die Tat an dem Vopo-Schauspieler, der wie viele arbeitslose Mimen im Mai 2005 vor dem künstlichen Kontrollhüttchen am Checkpoint stand und sich gegen Geld von Touristen ablichten ließ, kann bei genauerem Besehen nur als Notwehr bezeichnet werden. Als Notwehr der Freiheit sozusagen gegen die Verballhornung oder Zugeldmachung der diktatorischen Ex-Vopo-Welt. Sonnenallee hin oder her. Hatten die kommunistischen Vopos nicht, wie die Stasi auch, Menschenleben auf dem Gewissen? Ist das wirklich lustig, was die arbeitslosen Schauspieler da treiben, Frau Richterin?

Die deutsche Justizgeschichte berichtet von vielen Fällen, in denen der Mut der Freiheit gegen die Roten belohnt worden ist. Die Killer von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mussten nicht in den Knast. Ebenso wenig Polizist Kurras, der Benno-Ohnesorg-Schütze. Ganz zu schweigen von Hildebrandts verstorbenem Mann Rainer, der mutig die Mauer attackierte, Fluchthilfe leistete und den Ossis Agenten auf den Hals hetzte.

Ist es nicht schon darum unbarmherzig, gegen die Witwe Alexandra so zu Felde zu ziehen? Zumal sie von juristischen Fehlurteilen sicherlich genug hat. Die Räumung 2005 ihrer Holzkreuzaktion war der letzte Schlag ins Kontor Hildebrandt. Vielleicht war sie darum so aufgebracht bei der Vopo-Aktion. Was ja verminderte Schuldfähigkeit hätte zur Folge haben müssen. Oder?

Wenn schon nicht Freispruch, dann hätte wenigstens der alte Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ für sie gelten müssen. Denn vor Gericht blieb einiges im Dunkeln – bei der Tat wie auch beim Opfer. Hatte der junge Vopo-Mime nicht die Hand provozierend vorgestreckt? Hat Hildebrandt wirklich „Arschloch“ und sogar „Nazi“ gesagt und gab es ein Gerangel und von wem ging das aus?

Zu Recht müsste für Frau Hildebrandt das „unschuldig“ gelten und der Vopo sollte vor Gericht. Und wer nach dem Prozess gesagt haben soll, das hätte sie alles getan, nur um das Museum wieder in die Schlagzeilen zu bringen, ist ein Schelm.

Rolf Lautenschläger