piwik no script img

mund voll rauch und klugheit. ein requiem von WIGLAF DROSTE

Wenn ich an dich denke, habe ich Feuer im Bauch, einen großen roten Ball. Ich weiß, du kennst das auch: wenn die Liebe so groß ist wie früher die Wut. Wo immer du jetzt bist – ich hoffe, dir geht es gut, und dass du alles hast, was du brauchst.

Rauchst du eigentlich noch? Du konntest unglaublich klasse rauchen. Flüppchen in der Hand, wache Augen, die schöne große Nase, dann das Kippchen im Mund, aus dem Rauch quoll und Klugheit. Dieser unglaubliche Mund: Um dein zwei Meter breites Lächeln leuchten und glänzen und schimmern zu sehen, wäre ich einmal um die Welt und wieder zurück gelaufen, zu Fuß, und ich war nicht der Einzige.

Deshalb ist die Hoffnung nicht dahin: weil noch Wolken ziehen, weil noch Sterne stehn, darum ist sie nicht dahin, weil noch immer Sterne stehn, weil noch Wolken ziehen ist, sie nicht dahin …

Ich höre den Wind in den Blättern der Kastanienbäume, ich sehe ihr grünes Licht, im Kastanienhain im Bergell. Ich sehe noch, wie ein Berner Sennenhund durch den Sonnenuntergang lief, in den sich verdunkelnden Abend hinein. Er zog einen Holzkarren hinter sich her, auf dem zwei große metallene Milchkannen standen. Im rot-blauen Zwielicht der Dämmerung stand eine Hütte, auf der das mir noch unbekannte Wort CHÄSI stand – eine Käserei. Meine Nasenflügel zitterten unter dem olfaktorischen Wetterleuchten, das Wort Fußnote erhielt eine ganz neue Bedeutung.

Kurz vor der Käserei stoppte der Hund, setzte sich und bellte zweimal kurz auf. Alsbald öffnete sich die Tür, eine Frau trat heraus, wuchtete beide Kannen vom Wagen, hob leichthändig zwei leere hinauf, bot dem Hund auf der nach innen gewölbten Hand eine Kleinigkeit zu fressen, kraulte ihn und gab ihm einen Klaps, woraufhin er umdrehte und, die leeren Kannen im Gepäck, dem Feierabend beim Milchbauern entgegentrabte. Ich bin nicht so idylleresistent, dass sich mir diese Szene nicht tief eingeschnitten hätte.

Deshalb ist die Hoffnung nicht dahin: weil noch Wolken ziehen, weil noch Sterne stehn, darum ist sie nicht dahin, weil noch immer Sterne stehn, weil noch Wolken ziehen ist, sie nicht dahin …

Jetzt im Frühling lugen die Kastanienblätter vor wie zarte kleine Nippel – Nippel ist ein Anagramm von Lippen. Jeden Herbst warst du im Kastanienhimmel. Wo immer die glänzenden braunen Kugeln aus den Bäumen prasselten, hast du sie aufgesucht, gesammelt, und stolz befummelt wie ein Kind. dennoch – du warst immer klar und kerzengerade. Das Beten hast du mir sogar bei Van Morrison nicht erlaubt. Jetzt kannst du es mir ja nicht mehr verbieten. Wenn ich an dich denke, habe ich Feuer im Bauch, einen großen roten Ball. Ich weiß, du kennst das auch: wenn die Liebe so groß ist wie früher die Wut. Wo immer du jetzt bist – ich hoffe, dir geht es gut, und dass du alles hast, was du brauchst.

Deshalb ist die Hoffnung nicht dahin: weil noch Wolken ziehen, weil noch Sterne stehn, darum ist sie nicht dahin, weil noch immer Sterne stehn, weil noch Wolken ziehen ist, sie nicht dahin …

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen