modernes antiquariat: „Heißt du wirklich Hassan Schmidt?“ – Als Horst Bosetzky einmal die Berliner Türken integrieren wollte
DAS MESSER IN DER TASCHE
Vor dem Boom war auch schon Boom. Wir stellen in unregelmäßigen Abständen Berlin-Romane vor, die vor 1989 erschienen sind.
Türken sind Kameltreiber und Hammelfresser. Sie sprechen kaum deutsch, die Frauen tragen Kopftücher und haben schon seit ihrer Geburt Eheverträge mit Verwandten aus der Türkei – und die Männer sind Machos, bereit, jederzeit zuzuschlagen. Also, liebe Kinder, seid nett zu den Türken, sonst färben sie eure Haare schwarz, nennen euch Hassan oder Ayșe, und dann müsst ihr in ihren Gemüseläden malochen.
Das ist auf jeden Fall Matthias passiert. Matthias, ein Berliner Teenager, braucht Geld, gerät nichtsahnend in zwielichtige Geschäfte, die Polizei ist plötzlich hinter ihm her, und – ausgerechnet! – Türken verstecken ihn. Nicht ganz ohne Eigennutz, denn bei den zwielichtigen Geschäften waren sie die Leidtragenden gewesen. Um den entstandenen Schaden wieder gutzumachen, muss Matthias nun als Hassan im türkischen Gemüseladen arbeiten. Er verliebt sich in die jüngste Tochter der türkischen Großfamilie, doch die – siehe oben – ist schon einem Verwandten aus der Türkei versprochen ...
Horst Bosetzky führte in seinem Jugendbuch „Heißt du wirklich Hassan Schmidt“ ausnahmslos jedes Vorurteil auf, das über Türken existiert. Das ist natürlich gut gemeint, und der Roman liest sich darum wie eine Schullektüre, Unterrichtseinheit „Minderheiten und Vorurteile.“ So richtig daneben geht das Ganze allerdings, wenn er die Türken zur Abwechslung auch mal in einem guten Licht darstellen will. So erzählt er beispielsweise von der sechzehnjährigen Selma: „Volleyball war ihre Stärke. Da die deutschen Mädchen in dieser Sportart meistens nur Mittelmaß waren, war sie in ihrem Sportverein so etwas wie ein Star geworden.“ Na, toll.
Man sollte nicht außer Acht lassen, dass der Krimi- und Jugendbuchautor mit dem Künstlernamen -ky die Geschichte bereits 1983 verfasst hat. Damals war das Integrationsverständnis in Deutschland natürlich bei weitem noch nicht so entwickelt wie heute: Die Deutschen dachten, dass die arbeitenden Gäste eines Tages wieder verschwinden werden – und waren ganz besonders nett zu ihnen. Doch so sehr Bosetzky auch bemüht ist, den Türken hin und wieder mal zu schmeicheln, es gelingt ihm nicht. Sätze wie: „Du wirst bei uns leben, als Türke, damit du mal am eigenen Leib merkst, wie das ist“, klingen ja doch eher bedrohlich, als dass sie zum Unterrichtsziel beitragen.
Aber Horst Bosetzky hat sicherlich nur das Beste gewollt. Mit seinem Jugendbuch „Heißt du wirklich Hassan Schmidt“ wollte er bestimmt einfach seinen Teil zur Integration der Türken in Deutschland beitragen. Und ohne Zweifel liegt in dem einen oder anderen Klischee, mit dem er sein Buch füllt, ja auch Wahrheit verborgen. Um gleich bei den Klischees zu bleiben: Der Türkin geht beim Lesen das Messer in der Tasche auf.
SONGÜL ÇETINKAYA
Horst Bosetzky: „Heißt du wirklich Hassan Schmidt?“ Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1984, 126 Seiten, 8,90 DM
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