milbradt und die npd : Schwarz-braunes Sachsen
Die gute Neuigkeit zuerst, denn es gibt nur eine: Georg Milbradt ist ohne die Stimmen der NPD zum Ministerpräsidenten von Sachsen gewählt worden. Die übrigen Nachrichten aus dem neuen sächsischen Landtag sind schlecht – und handeln von den gefährlichen Konsequenzen, wenn politische Theorie und Praxis auseinander klaffen.
KOMMENTARVON PATRIK SCHWARZ
Georg Milbradt hat gestern den Unterschied erfahren zwischen theoretischer und praktischer Macht. Theoretisch hatte er 68 Abgeordnete von CDU und SPD hinter sich, praktisch haben ihn nur 62 gewählt. Theoretisch ist er der starke Mann im Freistaat, praktisch ein lahmendes Pferd. Der ewig Ungeliebte ist nun im Amt – was er nur einem gnädigen Passus der Verfassung verdankt, wonach im zweiten Anlauf keine Mehrheit der Stimmen notwendig ist. Wer derart lahmt, kann nur schwer führen. Doch so bitter das für Milbradt ist, für den Rest der Republik ist etwas anderes wichtiger.
Die Abstimmung von Dresden verschärft ein altes Vorurteil gegen große Koalitionen: Ein Bündnis von CDU und SPD stärkt die Ränder. Diesmal trieb das Bündnis der Mitte nicht die Wähler, sondern gleich Politiker selbst nach rechts. Im Wissen um die theoretisch vorhandene Mehrheit im Parlament machten sich ein halbes Dutzend Abgeordnete der schwarz-roten Koalition zu anderen Ufern auf. Zwei landeten bei der NPD.
Im ersten Wahlgang ist so etwas Dummheit, im zweiten eine Demonstration. Denn damit ist jene Ausrede widerlegt, die man bei der CDU allzu schnell zur Hand hatte: Nicht um die Unterstützung der NPD sei es den anonymen Abweichlern gegangen, bloß um einen Denkzettel für den missliebigen Wessi Milbradt. Die Fakten des zweiten Wahlgangs sprechen eine andere Sprache: Erneut erhielt die NPD zwei Stimmen mehr, als sie Sitze hat.
Theoretisch sind wir gegen Rechtsextremismus, praktisch wählen wir die NPD – man muss nicht wissen, welche Abgeordneten so gehandelt haben, um ihre Vorbildwirkung zu fürchten. Selbst in der NPD-Hochburg Sachsen ist die Zahl derer gering, die sich offen zu Naziparolen bekennen. Ihre Erfolge verdankt die Partei dort und anderswo daher ebenjenem Muster, das jetzt zwei Politiker demokratischer Parteien im Landtag salonfähig gemacht haben: Wenn’s grad in den Kram passt, stimmt man auch mal rechtsextrem. Das untergräbt den Konsens: Wer achtlos NPD wählt, handelt nicht besser, als wer es absichtsvoll tut.