meme: Lehrplan statt Lipliner
Endlich ein Trend, der den Kopf statt den Körper in den Mittelpunkt stellt! Nachdem dieses Jahr vor allem Tendenzen wie „SkinnyTok“ oder „Messy Girl“ dominierten, feiert Social Media nun „My personal curriculum“ (Mein persönlicher Lehrplan). Dahinter steckt eine simple, charmante Idee: kollektives Lernen. Input statt Outfit.
Die lange vernachlässigte Leseliste, ein Sprachkurs, ein Workshop oder einfach ein Thema, in das man tiefer eintauchen möchte – all das wird aufgeschrieben, Lernmaterialien werden gesammelt und mit Followern in Videos geteilt. Besonders beliebt sind Follow-ups, in denen User:innen zeigen, wie weit sie gekommen sind. Eine Art Back-to-School-Vibes für Erwachsene. Die Idee, sich nach dem Sommer neu zu erfinden oder Ziele ernsthaft zu verfolgen, ist dabei nicht neu.
Wer an die Schulzeit zurückdenkt, kennt das Gefühl: Nach den Sommerferien war man ein anderer. Oder wollte es sein. Neue Jeans, neuer Ranzen – wenigstens frisch gespitzte Stifte.
Dieses „Neuanfangsgefühl“ hält sich bis ins Erwachsenenleben. Nach dem Urlaub ist man entweder jemand Neues oder endlich wieder man selbst. Alles, was im Sommer liegen geblieben ist, wird jetzt mit frischem Elan angegangen.
Wer durch die Curricula-Posts scrollt, merkt: Es geht nicht nur ums Basteln schöner To-do-Listen, auch um Inhalte. Besonders beliebt sind Bücher zu Feminismus, Finanzwissen oder Persönlichkeitsentwicklung. Gleichzeitig taucht immer wieder die Aussage „Cleaning my For You Page“ auf. Gemeint ist: den eigenen Feed bewusst umstellen – weg von Körperkult, Beautytipps und Nonsens hin zu Content, der bildet.
Damit reiht sich der Trend in die Bewegung „StudyTok“ ein, unter der sich inzwischen über drei Millionen Beiträge sammeln. Was früher eher Uni-Inhalte waren, wird jetzt breiter: Auch Menschen, die nicht mehr studieren, nutzen den Hashtag – um Neues zu lernen oder um die Aufbruchstimmung des Herbstes zu feiern, bevor der Winter kommt. So erfrischend der Trend ist, er läuft Gefahr, sich selbst zu boykottieren.
Je länger die Listen, je ambitionierter die Projekte – desto schneller verschwindet die Leichtigkeit. Statt Motivation und Inspiration droht ein Wettbewerb darum, wer am meisten schafft. Noch ist der Trend nicht zum toxischen Selbstoptimierungswahn verkommen. Noch übertrumpfen wir uns nicht mit Stundenplänen, sondern inspirieren uns mit Ideen. Das ist mehr, als die meisten Trends dieses Jahr geschafft haben.
Giorgia Grimaldi
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