meinungsstark:
Das darf doch nicht wahr sein …
„Ein Likör, ein Gericht und die Eierfrage“, taz vom 31. 10. 25
Gerichte in unserem Land müssen sich mit der Frage beschäftigen, ob es rechtens ist, einen Likör – in dem kein Ei verarbeitet wurde – einfach Likör ohne Ei zu nennen? Und das passiert in Zeiten, in denen verhaftete Diebe, Vergewaltiger, Räuber, Betrüger sich oft nicht vor dem Kadi verantworten müssen, weil die rechtsprechenden Institutionen hoffnungslos überlastet und Fristen für reguläre Verfahren reihenweise abgelaufen sind. Straffällig gewordene Menschen müssen einfach wieder auf freien Fuß gesetzt werden! Und alles nur, weil sich irgendwelche Anwälte um Nichtigkeiten streiten müssen. Achim Bothmann, Hannover
Klimabewegung ist zu ideologisch?
„Ringen gegen Erderwärmung“, taz vom 30. 10. 25
Die griffige Erklärung, die Klimabewegung hätte sich nie von ideologischen Fragen abgegrenzt, lässt leider gravierende Unterschiede zur Anti-AKW-Bewegung völlig außer Acht. Einerseits war die Lobby winzig im Vergleich zur Lobby der fossilen Energien. Die mit den AKWs verbundenen Gefahren waren dagegen mit zahlreichen AKW-Unfällen zeitnah und drastisch kommunizierbar, ebenso wie die Fragen der gefahrenträchtigen Atommüllentsorgung. Dazu kommt, dass der Verzicht auf AKW keine unmittelbaren Folgen in Form ganz persönlichen Verzichts im privaten Leben von Bürger*innen zur Folge hatte.
Elke Schilling Berlin
Die deutsche Regierung hilft nicht
Betreff: Ein Brief aus Kabul
Wissen die Taliban, wer und wo wir sind? Gibt es eine Absprache zwischen ihnen und der Bundesregierung, uns in Ruhe zu lassen? Wie lange gilt diese Absprache?
Auf die angebliche Absprache mit der pakistanischen Regierung, Afghanen mit Aufnahmezusage der Bundesregierung nicht abzuschieben, war jedenfalls kein Verlass: Am 13. August wurden wir in Islamabad verhaftet, meine beiden jüngeren Kinder wurden in Schlafanzügen aus ihren Betten geholt. Am 15. August, dem vierten Jahrestag der erneuten Machtübernahme durch die Taliban, bekamen wir den Ausreisestempel auf den Handrücken gedrückt, da unsere Pässe in der deutschen Botschaft lagen. Zusammen mit 200 weiteren Personen wurden wir in ein Hotel im Zentrum Kabuls gebracht. Dort lebe ich seit mehr als zwei Monaten mit vier Kindern auf 35 Quadratmetern, ohne Spielzeug oder Bildungsmaterialien. Die Kinder werden vom Hotelpersonal verjagt, wenn sie auf den Gängen spielen, und nach draußen trauen wir uns nur in Notfällen für Arztbesuche.
Vorgestern gab es ganz in der Nähe zwei Detonationen, die wohl mit den derzeitigen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Pakistan und den Taliban zusammenhängen. Vor der aktuellen Grenzschließung zu Pakistan wurden einige Familien dorthin zurückgebracht, um ihr Visumverfahren fortzusetzen. Für mich heißt das: Ja, es ist möglich – aber wir sind nicht dabei . Warum nicht? Wir bekommen von der Bundesregierung keinerlei Informationen und von den beauftragten Dienstleistern nur tröstende Worte. Ich bin ausgebildete Krankenschwester und angehende Fachärztin für Gynäkologie. Mein Mann und mein Schwiegervater waren Regierungsbeamte. Sie wurden beim Sturz der Regierung Ghani von den Taliban verhaftet und sind seitdem verschwunden. Nach einer qualvollen Zeit in verschiedenen Verstecken bekamen wir vor nun fast zwei Jahren die Aufnahmezusage der Bundesregierung und begaben uns im März 2024 nach Islamabad. Bis zu unserer Abschiebung haben wir dort 17 Monate mit Vorprüfungen für unser Visumverfahren zugebracht. Seit vier Jahren führen wir kein normales Leben mehr, und meine Kinder wachsen ohne Bildungsmöglichkeiten heran.
Als ich die Aufnahmezusage aus Deutschland bekam, war ich voller Hoffnung auf ein neues Leben. Jetzt wäre ich schon dankbar, wenn wir nur körperlich unversehrt wieder aus Afghanistan herauskämen. Es fühlt sich an, als würde in Berlin vor Gericht und zwischen Außen- und Innenministerium über unser Leben gewürfelt. Name ist der Redaktion bekannt
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