meinungsstark:
Fataler Südseetraum der Matrosen
„Heilige Tinte. Tattoos sind in vielen westlichen Ländern ein beliebter Modetrend. In Polynesien aber, wo die Körperkunst über Jahrhunderte von höchster kultureller Bedeutung gewesen war, feiert diese Form polynesischer Identität nach Jahrzehnten der Unterdrückung durch Kirche und Missionare eine Renaissance“, taz vom 30. 8. 22
„Einige Matrosen waren von der Schönheit polynesischer Frauen so begeistert, dass sie sich unter tropischer Sonne mit einer Polynesierin im Arm ihren eigenen Südseetraum erfüllten.“ Aus was für einem Blickwinkel wird denn hier über Vergewaltigung und Aneignung von weiblichen Körpern geschrieben? Ich bin entsetzt! Mascha Kirchner, Oldenburg
Die Politik hat das Pogrom angeheizt
„Tausende gegen das Vergessen. Eine Gedenkdemo mit 5.000 Teilnehmenden hat an das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren erinnert. Einige Anwohner würden es lieber vergessen“, taz vom 28. 8. 22
Der Begriff Pogrom für die Ereignisse 1992 in Rostock-Lichtenhagen ist historisch korrekt. Die kollektive Gewalt wurde nicht nur mit Duldung des Staates ausgeübt, sondern auch von der damaligen CDU-Regierung unter Kanzler Kohl im Vorfeld der Ereignisse regelrecht angeheizt. Ziel war es damals, das Asylrecht unbedingt zu verschärfen aufgrund der vielen Kriegsflüchtlinge, die aus den ehemaligen jugoslawischen Ländern nach Deutschland kamen. Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen war schließlich das Ergebnis einer politisch aufgeheizten Diskussion, bei der der damalige Bundesminister des Inneren, Rudolf Seiters, die Rolle des Brandstifters übernahm. Wiederholt sprach er sich öffentlich dafür aus, gegen den Missbrauch des Asylrechts vorzugehen, der dazu geführt habe, „dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unserem Land bekommen haben“. Das war dann auch das Signal für die rechten Gewalttäter, dass die Ausschreitungen rund um das Sonnenblumenhaus legitim seien. Die Strategie der Kohl-Regierung ging mit der tagelangen Duldung der Ausschreitungen zusammen. Am Ende hat damals die SPD dem Druck nicht standgehalten und den „Asylkompromiss“ schließlich mitgetragen.
Holger Freitag, Recklinghausen
Der Hass auf die russischen Soldaten
„Ich spüre, wie der Hass in mir wächst. Unsere Autorin ist auf der Krim aufgewachsen und hat dort Angehörige verloren. Doch erst mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine kommt in ihr ein bösartiges Gefühl auf, das sie von innen zerstört“, taz vom 24. 8. 22
Ich finde den Hass auf die russischen Soldaten, die Verbrechen begehen, und auf die schweigende Mehrheit der russischen Bevölkerung sehr verständlich. Aber ich finde es immer problematisch, das Verhalten der Bevölkerung in einer Diktatur zu verurteilen, und Russland ist eine Diktatur. Ich bin froh dass ich nicht das Unglück habe, in diesen Zeiten als Russe in Russland zu leben und vielleicht zum Krieg in der Ukraine zwangsverpflichtet zu werden. Diese Soldaten wissen scheinbar oft gar nicht, was sie erwartet und zu was sie verpflichtet wurden. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass es unter ihnen solche geben muss, die willkürlich Verbrechen begehen. Aber die übrigen Kriegshandlungen, wie Raketenbeschuss auf Städte, beruhen auf Befehlen, die ein einfacher Soldat schwerlich verweigern kann. Die Kampfhandlungen sind als solche verbrecherisch, aber dafür ist sehr wohl und eben doch Putin verantwortlich und nicht der einzelne Soldat. Ich glaube, dass zurzeit die Besten, die noch in Russland geblieben sind, Putin im Stillen verurteilen und nicht wissen, was sie konkret unternehmen könnten. Für wirkungsvollen Widerstand braucht es Organisation und Strukturen – die von Putin zerschlagen wurden. Sonst bleibt es bei hilflosen Einzelaktionen, die im sibirischen Straflager enden. Ich glaube auch, dass zu viele in Russland sich von Putins Kriegspropaganda einfangen lassen und dem Krieg unausgesprochen zustimmen. Aber es ist ungerecht, alle, die jetzt in Russland schweigen, als Verbrecher im persönlichen Sinn anzusprechen.
Freder Alexander Nehrlich, Dübendorf (Schweiz)
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