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meinungsstark

Freie Kunst – frei von Coronahilfe?

betr.: Bürokratische Schikanen für Künstler:innen?

Liebe taz, ich bin in einer sehr kuriosen Situation gelandet, die es mir im Moment unmöglich macht, künstlerisch zu arbeiten – ausgerechnet aufgrund der staatlichen Coronahilfen. Mir wurde die Coronahilfe ausgezahlt, da ich mich ordnungsgemäß legitimiert hatte als anspruchsberechtigte selbstständige Künstlerin mit Wohnsitz in Hamburg. Ich bin Südinderin und US-Staatsbürgerin und habe natürlich auch die Adresse meines Ateliers in Hamburg angegeben. Daraufhin wurde mir die Coronahilfe auf mein Konto überwiesen. Ich habe mich gefreut und konnte wieder arbeiten! Dann aber wurde ich offenbar aufgefordert, mich einer zweiten Überprüfung zu unterziehen und mich noch einmal (!) zu legitimieren. Das hätte ich auch durchaus gemacht. Das Problem: Die Post mit dieser Aufforderung kam gar nicht bei mir an! Sie ging nur an meine Atelieradresse; alle meine Postangelegenheiten gehen normalerweise direkt an meinen Wohnsitz. Im Atelier hat die Überprüfungsaufforderung mich nicht erreicht. Aber plötzlich wurde mein Konto gepfändet (!), um die Coronahilfe wieder einzusammeln! Weil ich die Antwortfrist überschritten hätte. Dagegen könnte ich nur noch klagen. Ich bin fassungslos. Und ich kenne etliche andere KünstlerInnen, die auf juristische Hilfe angewiesen sind, um die ihnen ganz legal zustehenden Coronahilfen einzuklagen. Dieses Geld, um zu klagen, habe ich aber nicht! Könnt ihr bitte über diese bürokratische Schikanierung von freien KünstlerInnen mehr berichten? Ist das nicht alles ein unglaublicher Hohn? Zari Harat, Hamburg

Rechtsextremismus. Wahnsysteme

„Eine Frage der Verantwortung“, taz vom 3. 8. 21

Liebe taz, in Ihrem Artikel zitieren Sie mich durch Auslassung Sinn entstellend. Ich habe keineswegs „das Bestreben, rassistische Gewalt nur im Individuum zu verorten“. In dem von Ihnen zitierten Artikel schreibe ich: „Ohne Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft hätte der Täter diese Ideen nicht in sein Wahnsystem integriert. Deswegen sind die engagierten Initiativen der Angehörigen gegen Rassismus und Rechtsextremismus völlig berechtigt.“ Sie schwächen die Argumentation Ihres Artikels, indem Sie jede wissenschaftliche Differenzierung bei den Tätern pauschal unter Verharmlosungsverdacht stellen. Halle und Kassel waren zweifellos rechtsextremistische und rassistische Täter, für die uneingeschränkt das gilt, was Sie in Ihrem Artikel beschreiben. Aber der Hanauer Täter gehörte vor Ausbruch seiner Krankheit keinerlei einschlägigem Netzwerk an und in seinem Manifest erklärt er auf englisch: „Amerika steht unter der Kontrolle von unsichtbaren Geheimgesellschaften. In einigen davon wird direkt der Teufel angebetet. Sie missbrauchen, foltern und töten kleine Kinder.“ Und weiter teilt er mit, dass er auf nicht physischem, geistigem Wege den deutschen Fußball auf den richtigen Weg gebracht und für die Berufung Klinsmanns zum Nationaltrainer gesorgt habe; dass er die deutsche Intervention in Afghanistan gelenkt und die Umsetzung bestimmter Filmprojekte in Hollywood bewirkt habe. Den Beginn des Ganzen schildert er so: „Ich fing an, direkt in meiner Studentenwohnung mit den unsichtbaren Menschen zu sprechen. Ich wollte nicht direkt bei der Polizei eine Anzeige stellen, sondern erst einmal abwarten.“ Ich nehme an, dass Sie diese Texte, die Hans-Ludwig Kröber publiziert hat, nicht kannten. Sie haben recht, auf die verheerende Wirkung rechter und rassistischer Netzwerke hinzuweisen, und es ist eine Schande, dass gerade in Deutschland der Antisemitismus wieder zunimmt. Aber wenn Sie sich dagegen wenden, „den Beweggrund (zu rechter rassistischer Gewalt) im Individuum zu verorten“ und dann von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit behaupten, sie „trägt immer einen Wahn in sich“, ent-schuldigen Sie – sicher unabsichtlich – alle Täter. Dagegen hilft nur wissenschaftliche Exaktheit. Und selbstverständlich gilt, was ich am Ende meines Artikels schrieb: „Auch psychisch Kranke können natürlich rechtsradikal sein. Wenn aber die psychische Erkrankung den Menschen völlig in ihren Bann schlägt, dann kann wirksame Prävention nur in wirksamer Behandlung der Krankheit bestehen.“

Dr. Manfred Lütz, Bornheim-Merten

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