meinungsstark:
Ein gut durchdachter Schachzug
„Baerbock wird Kanzlerkandidatin: Sie will“, taz vom 20. 4. 21
Für ein Land mit preußischer Geschichte, starken Führern und Kanzlern (von Bismarck bis Schröder) sowie einer testosteronorientierten Autoindustrie war schon die erste Kanzlerin ein sehr harter Bruch. Merkel war die Reaktion auf etliche Missstände in der „Männerwirtschaft“ (Kohl-Skandal). Wie hart der Bruch für die Union gewesen sein muss, zeigt der Kampf um die Nachfolge. Von den vier Männern ist Laschet wahrscheinlich noch der weiblichste. Und die SPD? Sie hat es bis heute nicht geschafft, eine Frau zu Kanzlerkandidatin zu machen. Nach der Ära Schröder, Clement, Steinbrück, Müntefering wäre es endlich Zeit gewesen, gerade in einer „Sozialdemokratie“. Deshalb finde ich den Schachzug der grünen Spitze, Annalena Baerbock zur Kandidatin zu machen, sehr gut durchdacht. Dabei geht es nicht nur um Idealismus: Die Grünen sind eine sehr professionelle Partei geworden, die aus hochgebildeten Kräften besteht. Diese Partei ist der beste Ausdruck der „Akademikerrepublik“. Auch deshalb sind Koalitionen mit der CDU nicht mehr so schwer. Zum linken Parteispektrum haben die Grünen eine inhaltliche Nähe, zum bürgerlichen Spektrum eine Milieunähe.
Davide Brocchi, Köln
Keine Frauenpolitik mit Baerbock?
„Sie kann die Sache groß machen“, taz vom 20. 4. 21
Sie schreiben auf der Titelseite, dass Frau Baerbock in ihrer Rede keine Frauenpolitik mache. Ich möchte da widersprechen. Die Themen, die genannt wurden, sind ganz eindeutig Frauenpolitik: Kita, Pflege, Schule, sozialer Zusammenhalt – alles Themen, die Frauen mehr betreffen als Männer. Dass woman in ihrer Grundsatzrede zum Antritt als Kandidatin nicht auf einzelnen Paragrafen herumreitet (§219), finde ich nicht schlimm, wenn sie Kita-, Pflege-, Schulpolitik gut macht, denn das wird viele Frauenleben sehr verbessern. Das Virus hat es ja nicht so drauf mit dem Gender-Mainstreaming.
Ulrike Spies, Marburg
Kein Wahlkampf ohne Mietenthema
„Mieten werden heißes Wahlkampfthema“,
taz vom 17./18. 4. 21
Die politische Diskussion um den geplatzten Berliner Mietendeckel spannt einen zu kurzen Bogen. Schließlich besteht eine wesentliche, die entscheidende Achillesferse in Deutschland vor allem darin, dass mit der auch von weiten Teilen der SPD sowie den Grünen unterstützten Föderalismusreform II der soziale Wohnungsbau in Deutschland massiv eingebrochen ist, wo sich der Bund aus diesem essentiellen Thema für die öffentliche Daseinsvorsorge und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zugunsten der nicht über genügend Ressourcen verfügenden Länder zurückziehen musste. Deshalb hilft hier am Ende nur eine größere politische Lösung aus der Misere, indem man diesen Fehler des damaligen neoliberalen Zeitgeistes revidiert, zumal es ebenfalls viele negative Beispiele von neuen Quartieren, wie zum Beispiel der Hamburger Hafencity, gibt, die zeigen, dass der Markt alleine nicht zu einem optimalen sozialen und ökologischen Output führt!
Rasmus Ph. Helt, Hamburg
Kein Krieg ohne Ablenkung
„Sanktionen und Gesprächsangebote“, taz vom 16. 4. 21
Die dritte Coronawelle verhindert nicht die Kriegsspiele im Schwarzen Meer. „Defender 2021“ der Nato findet im Süden und Norden von Russland statt. Präsident Biden „tröstet“ aber den „Killer“ Putin, er will „keine Spirale der Eskalation“ in Gang setzen und schickt US Kriegsschiffe. Biden hat viele Probleme im Land, als starke „Ablenkung“ waren Kriege schon immer gut. „Kapitalismus kann nicht ohne Krisen und Kriege“, haben wir in den sowjetischen Schulen von Karl Marx gelernt. Ich bin eine gebürtige Russin und beobachte mit meiner deutschen Familie in den letzten 20 Jahren, dass er recht hatte. Von Journalisten hängt es manchmal ab, ob ein Krieg gestoppt wird oder nicht. Vera Bade, Ratzeburg
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