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meinungsstark

Sarajevo: ein verminter Ort

„Kunst dient ausschließlich den Nackten“, taz vom 19. 10. 19

In der gegenwärtigen Diskussion über Peter Handke und den Bosnienkonflikt möchte ich Folgendes anmerken: Ich war letztes Jahr in Sarajevo und an Orten, die noch heute zu den meistverminten Orten der Welt gehören, fuhr an kilometerweiten Minenfeldern vorbei und stand drin. Wir haben dort mit Menschen gesprochen, die auch heute noch andere Menschen verlieren, weil Minen auch nach fast 25 Jahren eben nicht vergessen. Aber auch mit Menschen, die auf beiden Seiten gekämpft haben und nun gemeinsam den Kampf gegen Minen aufnehmen.

Dennoch erschreckend ist die Tatsache, dass der Konflikt dort in Teilen aktuell nur eingefroren zu sein scheint, auch wenn sich vieles verbessert hat. Möglicherweise schafft die Diskussion über Handke aber jetzt auch wieder Aufmerksamkeit für eine Region, die seit einigen Jahren nur noch eine geringe öffentliche Wahrnehmung genießt. Und es ist die Verpflichtung, die Geschichten weiterzuerzählen, um sie nicht verstummen zu lassen. „If a nation loses its storytellers, it ­loses its childhood.“ David Meadows-Hertig, München

„Die Fabrikation von Antisemiten“

„Künstliche Fieberschübe, echter Hass“, taz vom 19./20. 10. 19

Bei der Berichterstattung über tatsächliche antisemitische Vorfälle und bei der Debatte über einen angeblichen neuen Antisemitismus wird meist eine wesentliche Ursache ausgeklammert: die israelische eindeutig völkerrechts- und menschenrechtswidrige Politik gegenüber den Palästinensern. Jüngstes Beispiel war der entschädigungslose Abriss palästinensischer Häuser in Ostjerusalem – trotz internationaler Proteste. Der deutsch-jüdische Professor Rolf Verleger schrieb im Jahre 2014: „Die verständliche Wut auf Israel wird man eben nicht durch ,Antisemitismus-Rufe‘ zum Verschwinden bringen, sondern indem man die Ursachen dieser Wut behebt: Enteignung, Vertreibung, Besatzung, Diskriminierung. Da Israel nicht freiwillig Kompromisse sucht, muss es durch Sanktionen dazu bewegt werden.“

Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery schrieb im Jahre 2003 in seinem Buch „Ein Leben für den Frieden“ unter „Zur Fabrikation von Antisemiten“: „Der Staat Israel verursacht eine Renaissance des Antisemitismus auf der ganzen Welt und bedroht Juden überall. Die Sharon-Regierung ist wie ein riesiges Labor, in dem der Virus Antisemitismus gezüchtet und in die ganze Welt exportiert wird.“ – Aber Kritik an der israelischen Regierung gilt als antisemitisch, selbst wenn sie von Juden geäußert wird, die ihren moralischen Kompass nicht verloren haben und das pluralistische, humanitäre Judentum vertreten, so wie Barry Trachtenberg. Gerd S. Ullmann, Alfter

Winden in Plattitüden

„In der Rückschau gibt es berechtigte Kritik“, taz v. 19. 10. 19

In der Rückschau auf die Antworten des Thüringer Innenministers Georg Maier auf berechtige Fragen gibt es: Unverständnis! Denn es ist – in schlechtester Form – ein Beispiel dafür, wie Politiker, wenn sie sich kritischen Fragen gegenübersehen, möglichst ausweichend antworten, beschwichtigen und sogar Fakten herunterspielen („Wir reden jetzt über einen Vorgang, der fast ein Jahr her ist.“) Als wenn dies die Schwere der Anschuldigungen verringern müsste. Maier windet und wälzt sich in Plattitüden. Hierin steht er keinem Fußballspieler nach – der allerdings direkt nach dem Spiel, nicht erst ein Jahr später, Sinnentleertes von sich geben muss.

Wie kann hier nach nunmehr wiederholten Vorkommnissen Verantwortung abgelehnt werden? Es war von den Beamten schlichtweg falsch, den Journalisten die Offenlegung ihrer privaten Daten „anzukündigen“. In der Interviewfrage wurde dies als „androhen“ formuliert. Und dass es nicht dazu kam, ist in der Diskussion nicht mal zweitrangig. Leider wurde wieder mal versäumt zu sagen: „Das war ganz großer Bockmist! Wir haben uns mit diesem Fehler konstruktiv auseinandergesetzt und wollen Ähnliches in Zukunft verhindern!“ Ich nutzte Ihre eigenen Worte: „Wenn Sie das vom Ergebnis her betrachten, ist das ja nicht erfolgt.“ Jochen Schwemm, Berlin

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