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Archiv-Artikel

mein leben als knallcharge von HARTMUT EL KURDI

Für 2006 habe ich nur einen Wunsch: Falls es möglich sein sollte, den ZDF-Spielfilm „Mord im Hause des Herrn“ nicht wie in diesem Jahr dreiundachtzig Mal zu wiederholen, auch nicht auf Arte oder 3sat, wäre das sehr freundlich.

In diesem Film spielt der großnasige Rudolf Kowalski den Halligalli-Pfarrer Christoph Wagner, der es ständig mit diversen Weibern hat und deswegen irgendwann seine eigene Frau umlegt. Dieser Schmuddelmord-Story liegt ein echter Fall zugrunde, der sich vor ein paar Jahren in und um Braunschweig ereignete, weswegen der Film auch dort gedreht wurde – und hier komme ich ins Spiel. Es gibt eine Szene, in der der durchgebrezelte Pfaffe CDs klaut und dabei erwischt wird. Von mir! Allerdings handelt es sich bei meinem Auftritt um einen der ganz großen peinlichen Momente der Fernsehgeschichte. Ausgewählt wurde ich für die Rolle, weil ich zu dieser Zeit im Spielzeitheft des örtlichen Staatstheaters als Gastschauspieler abgebildet war und irgendwer sich wohl fernsehoberflächlich dachte: Hey, die Fresse passt.

So wurde ich zum Drehort, dem Braunschweiger „Media-Markt“, bestellt. Eigentlich sollte ich einen „freakigen“ Plattenmaniac geben, der großflächige Tätowierungen und Intim-Piercings sammelt und nur nebenbei CDs verkauft und kleptomanische Pfarrer hopsnimmt. Bis der Regisseur feststellte, dass es solche Typen in Media-Märkten gar nicht gibt. Stattdessen entdeckte er einen bodygebildeten, einmeterfünfundneunzig großen Security-Fritzen im dunklen Anzug. „So muss er aussehen! Genau so!“ Und sofort fielen Kostüm und Maske über mich her, dabei ignorierend, dass ich Schultern wie Kermit der Frosch habe und auch schon die „180 cm“ in meinem Personalausweis eine traurige Lebenslüge sind, weil ich mit 16 fand, dass der Eintrag „178,5 cm“ hochgradig popelig aussieht. Ich bekam eine Rasur, einen Haarschnitt und einen Anzug, wurde vom Regisseur angeekelt abgelehnt, neu gestylt, wieder abgelehnt, bis sich der Tag dem Ende zuneigte und man mich vor die Kamera schubste.

Dort begegnete ich Kowalski, mit dem ich die Szene zweimal (!) proben durfte und der mir dabei wie der schlechteste Schauspieler der Welt vorkam, was aber nur daran lag, dass er im Gegensatz zu mir genau das Richtige tat, nämlich nichts: Er stand rum, ging, sackte CDs ein und sagte seinen Text auf. Das wirkte unmotiviert und dilettantisch. Ich hingegen versuchte zu spielen, wie ich es vom Theater kannte, dezent, aber doch mit Schmackes, wurde jedoch ständig ermahnt, mich doch bitte in dem handtuchschmalen Winkel der Kamera zu bewegen, diese dabei nicht umzuschmeißen und überhaupt ein bisschen „runterzuschrauben“. Über die doofen Sätze, die ich zu sagen hatte, wurde gar nicht geredet. Im fertigen Film wirkt die Szene wie ein Negativ meiner Empfindungen am Set: Kowalski spielt I a, und ich chargiere so tiefgaragig schlecht, dass ich mit diesem Bewerbungs-Video wahrscheinlich sogar bei „Sophie – Braut wieder Willen“ ausgelacht würde.

Also, falls das ZDF meinen Wunsch ignoriert und Sie mich auch im nächsten Jahr wieder auf dem Bildschirm sehen, bitte sprechen Sie mich nicht an. Ich weiß es doch.