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mein freund, der abschlepper von RALF SOTSCHECK

Ich habe einen neuen Freund. Mick hat ein großes Auto. Auf die Ladefläche passt bequem mein französischer Kleinstwagen, und dort befindet er sich in letzter Zeit auch meistens – was bei den maroden öffentlichen Transportmitteln in Irland fatal ist.

Es begann mit der Fahrt von Galway nach Dublin quer durch die Grüne Insel. Normalerweise braucht man dafür zweieinhalb Stunden. Bei mir dauerte es sieben Stunden, weil der Wagen elfmal stehen blieb. Nach zehnminütiger Ruhepause war er wieder fahrbereit. War die zerbeulte Kiste heimlich in die Autogewerkschaft eingetreten und forderte Pausen ein? Drei verschiedene Fachwerkstätten, die ich unterwegs aufsuchte, stellten drei verschiedene Diagnosen, tauschten drei Relais aus und schickten mich, Zuversicht verströmend, wieder auf die Piste. In der Einfahrt zu unserer Straße blieb das Auto endgültig stehen.

So lernte ich Mick kennen. Er zog den Wagen mit einer Stahlwinde auf die Ladefläche und brachte es in die Werkstatt. Drei Tage und 300 Euro später war das Auto repariert, behauptete der Werkstattbesitzer, der nebenbei auch ein Beerdigungsinstitut betreibt. Auf der Rückfahrt blieb die Karre ausgerechnet in einer Gegend stehen, in der selbst Rottweiler nur paarweise herumlaufen. Mick hatte erst am nächsten Morgen Zeit. Ich verabschiedete mich von meinem Wagen und hoffte, er würde nicht allzu lange leiden müssen, wenn die lokalen Hooligans ihn in die Mangel nähmen.

Wider Erwarten blieb das Auto über Nacht unversehrt. Wahrscheinlich haben die jugendlichen Gangster in Anbetracht des vergammelten Fahrzeugs geglaubt, ihre Kollegen seien ihnen zuvorgekommen. Mick begrüßte mich wie einen lange verschollenen Neffen, zog den Wagen wieder auf die Ladefläche und brachte ihn zurück zum Beerdigungsmechaniker. Diesmal dauerte es nur einen Tag und kostete 100 Euro. Ich schaffte es sogar bis nach Hause. Der Wagen lief für sein Alter tadellos. Aber ich hatte mich zu früh gefreut. An manchen Tagen kommen Unglücke im Dreierpack. Zunächst rief mich meine Bank an: Ob ich närrisch geworden sei und binnen einer Stunde fünfmal bei derselben Firma Waren im Wert von 1.500 Euro gekauft habe? Hatte ich nicht. Oha, seufzte die Bankangestellte, dann handelt es sich wohl um Kreditkartenbetrug. Sie riet mir, meinen Überziehungskredit aufzustocken, weil ich den Betrag zahlen müsse, bis die Sache geklärt sei.

Kurz darauf wurde unsere Mülltonne geklaut. Hatte sie jemand mit unserem Kleinwagen verwechselt? Ich verständigte die Müllabfuhr, denn mit Hilfe des aufgedruckten Strichcodes wird jede Leerung berechnet. Abends entdeckte ich bei den Nachbarn zwei Mülltonnen. Eine davon war unsere. Bis wir wieder in den Genuss der Mülltonnenleerung kommen, dauert „aus organisatorischen Gründen“ zwei Wochen. Bis dahin werde ich den diebischen Nachbarn das Zeug vors Haus werfen.

Das dritte Unglück traf das Auto: Kinder warfen das Seitenfenster mit einem Ziegelstein ein, rissen ein paar Kabel ab und zogen mit einer Tüte Gummibärchen davon. Mick freute sich über unser unerwartet schnelles Wiedersehen. Diesmal lud ich ihn auf einen Kaffee ein. Schließlich sind wir jetzt Freunde.

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