liebe, einen nickel wert:
von WIGLAF DROSTE
Eckhart Nickel wurde bekannt als ein Fünftel des „popliterarischen Quintetts“, das 1999 von Ullstein unter großem Alarm mit dem Schnellschuss „Tristesse Royale“ auf den Markt gefeuert wurde. Das Buch hatte schön Trauriges allerdings ebensowenig zu bieten wie Königliches. Nichts war nobel an „Tristesse Royale“. Das dürftige Werk verströmte bloß die alte Blasiertheit gelangweilter Frührentner.
Jetzt veröffentlichte Nickel eine „Gebrauchsanweisung für Portugal“ (Piper 2001), die den Leser mit Sprachsalat konfrontiert: „Vor die Frage gestellt, welches Fortbewegungsmittel man innerhalb des Landes benutzen sollte, ergibt sich eine knifflige Situation.“ Die Übersetzung ins Deutsche liegt noch nicht vor: „Wie auch in Sachen Urlaub hat die Orientierung Portugals nach Italien auch musikalisch eine Tradition.“
Lästiger noch als sein eigener unterirdischer Satzbau ist Nickels angestrengtes Bemühen, mit eingesprengselten Zitaten von Rilke, Nabokov, Baudelaire et cetera zu glänzen. Ganz beherrscht vom Ehrgeiz, als Mann von Welt aufzutreten, will er seine Prosa binden wie einen schicken Schlips, macht aber nur Knoten in Sätze: „Mythen wie, dass ein Bad oder eine Dusche nach dem Essen unweigerlich zu Darmverschluss mit Todesfolge führen, halten sich hartnäckig.“ Nickels Stil hat den Spreizfuß, und was er höchst umständlich über seinen Gegenstand Portugal zu erzählen weiß, sind Dönnekes aus dem Hause Dünkel: „In ländlichen Regionen lassen Männer in kleinerem Kreis an besonders heißen Tagen beim Mittagessen im Garten auch gerne mal die Oberbekleidung weg, was den stets auf tadellose Konfektion achtenden Großvater meiner Frau, der uns auf eine Einladung zu eben einem solchen Essen im Dreiteiler gefolgt war, zu sofortiger empörter Abreise bewog.“
Alle naslang kommt Nickel mit seiner großen Liebe zu Portugal angelaufen, mit seiner „persönlichen Portugal-Leidenschaft“. Ist Leidenschaft sonst etwas Unpersönliches? „Seit seinem ersten Besuch“, schmachtet der Klappentext, sei der Autor dem Land „verfallen“. Der ambitionierte Dutzendsassa Nickel setzt noch einen drauf und behauptet, dass er „der Welt abhanden kam.“ Das ist leider gelogen. Die vorgebliche Faszination liest sich so: „Als während eines Lissabon-Aufenthaltes meine Frau den Wunsch verspürte, Coimbra wiederzusehen, die Stadt, in der sie Portugiesisch studiert hatte, bestiegen wir in der Station Santa Apolónia den Morgenzug. Kurz vor Coimbra packten wir unsere zwei Koffer und zahlreichen Taschen, da wir mit unserem vollständigen Gepäck einige Tage dort zu bleiben gedachten.“ Dicke Welt soll das sein und müfft nach Adelsroman.
Mit behäbigen Leitartiklerfloskeln wie „indes“, „denn auch“ oder „freilich“ rundet Nickel die ältliche Streberprosa ab. Über ein Land wie Portugal 146 verzopfte, konfuse, angeberische, schludrige, redundante, gestelzte, aufdringliche, nichts erzählende, sturzlangweilige Seiten zu schreiben, ist schwer. Der für einen 35-Jährigen schon erstaunlich ranzige Eckhart Nickel hat es geschafft.
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