leserinnenbriefe :
■ betr.: „Kurras. Der Untertan“, taz vom 25. 5. 09
Welch eine Verlogenheit
Zur Geschichtsklitterung durch Konservative und Bild: Im Unrechtsstaat DDR wurde durch die Stasi immerhin festgestellt, dass „eine solche Handlung (…) doch ein Verbrechen darstellt“, und Kurras als IM abgeschaltet, während im Rechtsstaat BRD Kurras bei zwei Verhandlungen straffrei blieb. Damals war es kein Mord, nun nachdem festgestellt wurde, dass Kurras ein Stasi-Spitzel war, könnte es Mord sein? Welch eine Verlogenheit!
ERIKA SCHÄBLER, Würzburg
■ betr.: „Die Wahl am 23. Mai“, taz vom 22. 5. 09
Berliner Gerüchteküche
Gerüchte werden auch dadurch nicht wahr, dass sie überregional in der Presse stehen: Nein, die Grünen aus Baden-Württemberg hatten nicht mit Absicht Wahlleute für die Wahl der Bundespräsidentin/des Bundespräsidenten nominiert, die zu Köhler tendierten. Wir hatten vielmehr – passend zu unserer politischen Linie, dass Integration Vorbilder braucht – sechs von unseren neun Plätzen an Menschen mit Migrationshintergrund vergeben. Dazu hatten wir Menschen mit Baden-Württemberg-Bezug, mit spannenden Lebens- und Erfolgsgeschichten und engagiert im Feld Integration gesucht und gefunden. Und sie darüber informiert, dass wir die Wahl von Gesine Schwan empfehlen, wir aber keinen Einfluss auf ihre Wahlentscheidung nehmen werden. Denn das ginge gar nicht: ein Mitbestimmungsrecht abzutreten, aber keine autonome Entscheidung zuzulassen. Schade, dass diese Idee ausgerechnet von der taz nur als verwinkelter Politikschachzug wiedergegeben wurde. WINFRIED KRETSCHMANN Fraktionsvorsitzender Grüne im Land von Baden-Württemberg
■ betr.: „Horst Köhler mit grüner Hilfe wiedergewählt“,taz vom 25. 5. 09
Konsequente Grüne
Konsequent waren die Grünen immer: von der Antiparteienpartei mit zukunftsweisenden Zielen zur machtgeilen Truppe verkommen, die ihren Frieden mit dem alles verstörenden Neoliberalismus gemacht hat und jetzt über Hamburg den Weg zu Schwarz-Gelb-Grün im Bund geht. Da war es folgerichtig, mit grünen Stimmen Herrn Köhler, einen Biedermann, der gar nicht weiß, wie viel Brand er stiftet, ins Amt zu bringen.
AUGUST MÜLLEGGER, Friedberg
■ betr.: „Horst Köhler mit grüner Hilfe wiedergewählt“
„Ruck“-Redner vergangener Zeiten
Die Bundesversammlung hat gewählt: eine kluge Präsidentenwahl, über die man sich einfach nur freuen sollte? Ich halte den Gewählten doch eher für hausbacken mit steifer Zurschaustellung aufgesetzter Bürgernähe. Dazu das berufliche Mitbringsel: die jahrelange Führung als „Oberbankmanager“ an den Schalthebeln der weltweiten Finanzmacht. Hat das heutige – eigentlich vorhersehbare finanzielle Desaster den zum zweiten Mal gewählten höchsten Repräsentanten der BRD wirklich zur Läuterung und neuen, aber auch zu vorgelebten Einsichten gebracht? Ist er der Visionär, der konsequent Bescheidenheit und Demut vorlebt? Ich erlebe ihn doch eher auch nur als einen der bekannten „Ruck“-Redner vergangener Zeiten.
Die Chance auf die Wahl einer charismatisch herzerfrischenden, offenen, unkonventionellen, dazu noch charmant gescheiten Persönlichkeit wurde vertan. Wieder einmal.
Aber worum ging es bei der Bundespräsidentenwahl einmal wieder: um die Parteienmacht in einer von lobbyistischen Einflüssen geprägten und verholzt-erstarrten Politikführungskultur. Und dies ist sehr bedauerlich im Hinblick auf eine unbedingt notwendige Weiterentwicklung unserer demokratischen Gesellschaft – in menschlich und Mitwelt einbezogener solidarischer Weise, ökologisch wie ökonomisch, lokal wie global gesehen.PETER GERNBACHER, Stuttgart
■ betr.: „Arme Alleinerziehende“, taz vom 26. 5. 09
Studie mit falscher Fragestellung
Zitat: „So habe es nur die Hälfte der Alleinerziehenden im Laufe von zweieinhalb Jahren geschafft, aus dem Hartz-IV-Bezug herauszukommen.“ Welche ausreichend tariflich bezahlten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätze stehen denn wo genau zur Verfügung? Welchen Sinn macht eine Studie mit falscher Fragestellung?
Ob alleinerziehend oder nicht – es fehlen ausreichend (von Arbeitgebern) bezahlte Arbeitsplätze. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren über 30 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut, in der freien Wirtschaft noch viel mehr. Warum zahlen Steuerzahler die Löhne der Beschäftigten – und nicht die Arbeitgeber, bei denen die Beschäftigten eingestellt sind?
BARBARA RINGLAGE-LOCHNER, Essen