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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Keine wehrlose Beute

■ betr.: „RWE lässt demonstrieren“, taz vom 29. 8. 09

Klar setzt RWE mit dem freien Tag und kostenlosen Busfahrten einen Anreiz zur Demoteilnahme, ebenso entsteht durch die „corporate ideology“ eines Atomkonzerns sicherlich ein gewisser Druck zum Mitlaufen. Aber bitte: Diese jungen Menschen haben wohl großteils (trotz Lehrstellenmangels) ihren Ausbildungsplatz bewusst dort gewählt und sich damit in den Dienst der Atomkraft gestellt. Es ist absurd zu glauben, dass sie sich wegen eines freien Tages für etwas einspannen ließen, hinter dem sie nicht stehen – zumal es für sie ja wirklich um ihre künftigen Arbeitsplätze geht. Wenn das Ausnutzen ist, dann nutzt auch etwa Opel die Sorge seiner Mitarbeiter am Erhalt ihrer Arbeitsplätze für Demonstrationen aus. Aber selbst wenn hier eine Abhängigkeit ausgenutzt würde, tut’s gut, mal einen Blick auf die Gesellschaft über den taz-Leser-Rand hinauszuwerfen: Atomkraft ist in weiten Teilen der (auch jungen) Bevölkerung noch und wieder akzeptiert, was immer wieder Umfragen oder auch die wohl anstehende Bundestagsmehrheit der Atomkraftbefürworter Union/FDP zeigen. Eine Pro-Atomkraft-Demo spiegelt nicht nur die Interessen von RWE & Co wider, sondern eben auch von einem Teil der Bevölkerung. Und an deren Bewusstsein sollte man lieber arbeiten, anstatt sie als wehrlose Beute der Atomlobby darzustellen. Eine solche Erklärung macht es sich nämlich zu einfach. STEPHAN SCHWERDTFEGER, Bayreuth

Sicherungen rausdrehen

■ betr.: „RWE lässt demonstrieren“

Am 12. September, da fahre ich zur Demo „Freiheit statt Angst“, damit es nicht irgendwann heißt: „Einigkeit und Recht und Sicherheitsgefühl?“ Anreise, gegebenenfalls Übernachtung und Verpflegung, all das muss ich natürlich selbst zahlen. Zudem findet diese Demo natürlich an einem Samstag statt, schließlich hat der sinkende Krankenstand ja längst bewiesen: Nichts ist dem Arbeitnehmer wichtiger, als seinen wertvollen Arbeitsplatz, seinen vollen Rentenanspruch zu behalten. Und nun lese ich, wie also schon am kommenden Freitag eine bezahlte Demo stattfindet. Da ruf ich natürlich dazu auf, dass all diejenigen, die noch immer nicht auf grünen Strom umgestellt haben, nun am 4. September ihre Sicherung für diesen Tag rausdrehen mögen. Bitte mittags auch für drei Stunden die Küchensicherung, das hält jeder Kühlschrank locker aus, wenn man ihn dann nicht anrührt. Und wer schon grünen Strom hat, der möge nun twittern und telefonieren, was die Leitungen hergeben, damit möglichst wenig Kunden diese Demonstration bezahlen. Es kann so einfach sein, die Demokratie im Gleichgewicht zu halten! MARKUS MERKLE, Verden

Kuschen fördert Karriere

■ betr.: „RWE lässt demonstrieren“

Die Demonstration spricht einmal mehr für die Unredlichkeit der Atombranche. Denn die Instrumentalisierung junger Menschen zu unternehmerischen Zwecken ist eine Form der PR, wie sie sich nur Konzerne leisten können, die ihren guten Ruf bereits hinter sich haben. Zudem hat der Begriff „Freiwilligkeit“ keinen Wert, wenn hinterher für die Personalvorstände ersichtlich wird, wer an der Demonstration teilgenommen hat und wer nicht. Kuschen dürfte da die Karriere befördern, zumal in deutschen Großbetrieben keine flachen Hierarchien herrschen, bei denen Menschen nach Leistung bewertet werden, sondern vielmehr nach Anpassung!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Manche sind gleicher als andere

■ betr.: „Bioimker Grolm geht direkt ins Gefängnis“, taz vom 28. 8. 09

„Gehe direkt ins Gefängnis, gehe nicht über Los, ziehe nicht 4.000 Mark ein!“ Leider zeigt sich hier wieder einmal, dass sogar in einem schwarz-gelben Rechtsstaat manche gleicher sind als andere: zum Beispiel der deutsche Exkanzler Dr. Helmut Kohl, der zwar keine Pflanzen rausriss und verbotenerweise einen Acker betrat, aber die Spender von 2 Millionen D-Mark nicht benennen wollte. Dafür musste der feine Herr aber nicht in Beugehaft.

Schade, dass dieses Privileg im Rechtswesen nicht auch der kleinen Frau, dem kleinen Mann eingeräumt wird. Eine solche Regelung trüge sicher dazu bei, einiges an Staatsverdrossenheit „in diesem unserem Lande“ abzubauen. Was Herrn Grolm betrifft, hat er aber selbst Schuld an dieser Beugehaft: Wie kommt er auch auf die Idee, als einfacher Bürger gegen einen Weltkonzern und die weltweite Agrar-Gentech-Connection angehen zu können? Da war der Amtsrichter schon weitsichtiger, der in einem ähnlichen Fall einem ebenfalls verurteilten Imker riet, doch seine Bienenkästen so aufzustellen, dass sie nicht mit Genmais in Kontakt kommen können! Darauf wäre nicht einmal der große Aussitzer gekommen!

OBBE BAHNSEN, Rimbach